Brian Clegg. Die Vermessung des Körpers. Warum unsere Haut sehen und die Nase durch die Zeit reisen kann. Hanser Verlag. 302 Seiten, 20,50 Euro. ISBN 978-3-446-43503-2

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"Von den chemischen Prozessen bei Verdauungsstörungen bis hin zum Urknall und den verborgensten Geheimnissen des Universums findet sich alles in dieser einen kompakten Struktur wieder," schreibt Brian Clegg. Für den britischen Naturwissenschafter ist der menschliche Körper "die wunderbarste Konstruktion, die es gibt" und das ideale Instrument zur Erforschung des Universums.

In seinem Buch "Die Vermessung des Körpers" stellt der Cambridge-Professor etwa Überleitungen zwischen Auge und Weltall her oder zwischen dem Aufbau des Gehirns und der mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie. Dabei schreibt er über Gott und die Welt, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und wieder zurück. Er desillusioniert etwa all jene, die gern "probiotische" Getränke trinken, weil diese in Wahrheit ja doch nichts bewirken.

Auch bei der "Fünf-Sekunden-Regel" handelt es sich nur um einen Mythos: Fällt ein Lebensmittel auf den Boden, nimmt es potenziell krankheitserregende Bakterien sofort auf, nicht erst nach fünf Sekunden. Weiters erklärt Clegg, warum die Menschen in nördlichen Klimazonen blasser sind und häufiger Sommersprossen (Anhäufungen von Melanin) haben als jene am Äquator. Auch erfährt man durchaus Kurioses, etwa dass sich im Darm Proteine namens Pokémon, Homer Simpson und Glass Bottom Boat befinden.

Von gutem und weniger gutem Humor

Das Buch räumt auf mit Science-Fiction-Klischees, etwa dass sich Menschen auf dem Mars so sehr aufblähen, bis es ihnen den Kopf zerreißt ("Total Recall"), oder dass dort das Blut in den Adern zu kochen beginnt. Wahr ist hingegen, dass wir beim Zurasen auf ein Schwarzes Loch so sehr in die Länge gezogen würden, dass wir wie ein "langer rosa Spaghetto" aussehen. Dieser Vorgang heißt folgerichtig auch Spaghettifizierung; "entgegen anders lautender Gerüchte besitzen Wissenschaftler manchmal Sinn für Humor", schreibt Clegg. 

Der Brite beweist leider nicht immer Sinn für guten Humor, zumindest in der deutschen Übersetzung funktionieren manche der Witze einfach nicht: "Kohlendioxid ist eine chemische Verbindung, die heutzutage ein wenig in Verruf geraten ist. In einem James-Bond-Film wäre sie der böse Gegenspieler, der die Weltherrschaft an sich reißen will."

Oder, an anderer Stelle: "Ein Mensch besteht aus so vielen Atomen, dass viele von ihnen nach einer Weile in anderen menschlichen Wesen recycelt werden. Ihr Körper enthält Atome aus Königen, edlen Kriegern und Hofnarren". Ja, wir atmen sogar dieselbe Luft, die auch Marilyn Monroe schon geatmet hat, schreibt Clegg. Was wohl für einen Schmunzler sorgen soll und physikalisch richtig sein mag, mutet beim Lesen doch eher seltsam an - zumal Clegg solche Witzchen auch gar nicht nötig hätte, weil das Buch ohnehin locker geschrieben ist.

Von Aliens und hungrigen Mägen

Über weite Stellen verknüpft der Brite Biologie, Physik, Chemie und mitunter Mathematik recht elegant, mitunter aber doch auch sehr erzwungen: Etwa wenn das Kapitel über das menschliche Haar auf einmal von der Quantentheorie vereinnahmt wird, oder wenn es im Kapitel "Mit offenen Augen" nach der Abhandlung von außerirdischem Leben auf einmal heißt: "Nach dieser ganzen Sternenguckerei knurrt Ihnen vielleicht der Magen - Ihre Augen mögen ja auf die Sterne gerichtet sein, doch Ihr Magen hat einen weitaus irdischeren Fokus".

Zugute halten muss man Clegg, dass er zwischendurch immer wieder mit praktischen Experimenten die ansonsten doch recht theoretischen Kapitel auflockert. So lernt man etwa über die Aggregatzustände von Vanillesoße und erfährt, dass man über ein Schwimmbecken mit ebensolcher laufen kann ohne darin zu versinken. Auf Cleggs Website kann man sich das ansehen. An anderer Stelle erfährt man, wie man mit einem Kaffeefilter und möglichst reinem Alkohol eine mit freiem Auge sichtbare DNA-Probe aus einer Banane gewinnen kann. Kurios auch, dass es tatsächlich akustische Täuschungen gibt, bei denen uns andere Sinne einen Strich durch die Rechnung machen.

Von Lebenszeichen und Magnetismus

Vieles im Buch erinnert an die Schulzeit, etwa wenn man über die sieben Lebenszeichen in der Biologie (Bewegung, Stoffwechsel, Reproduktion, etc.), über die Bestandteile des Bluts oder die Wirkungsweise des Magnetismus lernt. So ist Cleggs Werk eine gute Auffrischung, ein gelungener Grundkurs über die vielen Facetten der Naturwissenschaften, wenngleich ihm etwas mehr Struktur und Konzept nicht geschadet hätten. Sprachlich hingegen ist es eine einzige Wohltat - nur selten konnte man gleichermaßen verständlich und unterhaltsam Grundsätzliches über Körper und Universum lernen. Und fachlich ist das Buch sowieso über jeden Zweifel erhaben. Nur an den Witzen sollte Clegg noch arbeiten. (Florian Bayer, derStandard.at, 9.4.2013)