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Der deutsche Tenor Jonas Kaufmann.

Foto: EPA/ALEJANDRO GARCIA

Wien - Ja, singt er denn nun? Tagelang hatten die Wiener dem Staatsoperndirektor fragend in den Ohren gelegen. Ja, er hat den dritten Parsifal gesungen, einem nachösterlichen Erweckungserlebnis vom Krankenbett sei Dank, und noch im Schlussapplaus wurde Jonas Kaufmann von Wien heute befragt, wie es denn so war. Opernverrücktes Wien.

Vor nicht allzu langer Zeit hat der Deutsche einen Liederabend in der Staatsoper gegeben, Schuberts Schöne Müllerin. Eine Magen-Darm-Grippe hatte ihn seinerzeit inkommodiert, beim Liederabend im Konzerthaus erwähnte er eingangs Kreislaufprobleme - er blieb jedoch stand- und stimmfest. Visionär hatte Kaufmann die Beharrlichkeit der kalten Jahreszeit vorgeahnt und also Schuberts allertraurigstes Allerheiligstes, die Winterreise, für diesen Aprilabend angesetzt.

Am Klavier begleitete, wie fast immer, Kaufmanns früherer Lehrer Helmut Deutsch. Es war eine Lehr- und Sternstunde in Sachen Liedbegleitung. Sah man von Gute Nacht ab - deren Ereignisse in einer transportbandartigen Gleichmäßigkeit abrollten -, so pflegte Deutsch eine weiche und doch deutliche, die Geschehnisse sprechend darstellende Spielweise. Wundervoll die Führungsstärke der linken Hand in Auf dem Flusse, oder das zwischen Ruhe und trotziger Kraft aufgespannte Vor- und Nachspiel von Das Wirtshaus.

Kaufmann war schön und sang schön, mit hoher Suggestionskraft und Intensität: ein wirkungsmächtiger Geschichtenerzähler, der weiß, dass das Dämpfen der Stimme die Aufmerksamkeit des Zuhörers erhöht. Es war eine über weite Strecken sotto voce vorgetragene Winterreise, Ausritte in die Gefilde kriegerischer Attacke (Wasserflut) mit eingeschlossen. Die leichte Nuance des Meckernden in seinen kantablen Linien - geschenkt. (Stefan Ender, DER STANDARD, 8.4.2013)