In Tirol treten insgesamt neun Listen an. Sie sind zum Großteil Abspaltungen der jahrzehntelang dominierenden ÖVP. Es finden sich aber auch Bündnisse von früheren ÖVP- und SPÖ-Mandataren.

Jedenfalls drückt sich durch diese Vielfalt eine klare Enttäuschung mit dem herkömmlichen Parteien-Establishment aus. Nicht nur Stronach, ob nun Stronach "echt" oder "Stronach ohne Gütesiegel Frank", sondern auch die diversen "Für Tirol" "Vorwärts Tirol" etc. sind Enttäuschungs-Bewegungen, auch die ältere "Liste Fritz" (deren Gründer Fritz Dinkhauser vom linkspopulistischen Flügel der ÖVP kommt) war ein Ausdruck dieses Unbehagens mit der herkömmlichen Art von Politik.

In Tirol treten nun zwar gerade besonders viele neue Gruppen und Abspaltungen auf, aber der Trend zu neuen politischen Bewerbern ist bundesweit.

Woher dieses Unbehagen im dritt- oder viertreichsten Land Europas kommt, wäre eine eigene Untersuchung wert. Ist es die - gefühlte oder tatsächliche - schleichende Verschlechterung des Wohlstandes? Man muss hier die diversen Armuts- und Armutsgefährdungsstatistiken mit Vorsicht behandeln und auf die Plausibilität überprüfen. Im Übrigen: wirklich Arme sind politisch uninteressiert und wählen nicht.

Die These sei gewagt, dass diese Unzufriedenheit eher von der Art kommt, wie Regierungspolitik derzeit gemacht wird: entschlusslos, visionslos, lustlos, perspektivenlos, defensiv, kleinkariert, in öden Ritualen verhaftet, mit wenigen Ausnahmen dicht von Korruption durchzogen, letztlich nur an einer zu versorgenden Stammklientel ausgerichtet (bei der SPÖ Pensionisten und Beamte, bei der ÖVP Beamte, Bauern und ein paar Wirtschaftstreibende).

Jüngere, offen denkende Wähler können sich zum Teil von den Grünen vertreten fühlen, ebensolche leistungsorientierte schon nicht mehr. Mürrische, autoritär denkende Ältere finden bei der Strache-FPÖ ein Ventil für ihre Ressentiments, aber sie sehen keine Umsetzung der politischen Rhetorik und wandern zu Stronach ab. Der hat es zum Milliardär gebracht und wird daher auch in der Politik etwas durchsetzen, so der Fehlschluss.

Die neuen Bewegungen haben verschiedene Charakteristika: Auf der einen Seite die ressentimentgeladenen Nur-Protestler, die derzeit hauptsächlich zu Stronach gehen. Auf der anderen die frustrierten Veränderungswilligen, die in den "Neos" zwar derzeit eine Organisation, aber noch keinen massiven Sympathisantenzuspruch gefunden haben. Beide sind von der Lähmung an der Macht - sowohl von SPÖ wie ÖVP - abgestoßen. Den Umstieg auf moderne Gegebenheiten haben weder SPÖ noch ÖVP geschafft. Beide sind unmodern, wirtschafts- wie gesellschaftspolitisch. Daher die Fragmentierung der politischen Szene.

Das muss nicht negativ sein, wenn sich einerseits die Traditionsparteien zusammenreißen (unwahrscheinlich) oder andererseits neue Koalitionsmöglichkeiten entstehen (z. B. SPÖ oder ÖVP zusammen mit Grünen und "Neos"). Schlimm wäre nur "weiter wie bisher". (Hans Rauscher, DER STANDARD, 6.4.2013)