Wien - Die umstrittenen Auftragsvergaben des Innenministeriums sind am Mittwoch Thema im Nationalrat, die Sondersitzung wurde von der Opposition beantragt. In einem Bericht kritisierte der Rechnungshof, dass das Innenministerium mehr Geld für Beschaffungen ausgibt als jedes andere Ressort. 2010 summierten sich die über 15.000 "Beschaffungsfälle" auf 72 Millionen Euro (der überwiegende Teil "freihändig" vergeben), 2011 waren es gar 182,6 Millionen Euro. Die Opposition und Teile der SPÖ-Fraktion kritisierten im Zuge der Debatte die Vorgänge scharf.

Mikl-Leitner weist Vorwürfe zurück

Die Innenministerin hat in der Beantwortung der "Dringlichen Anfrage" der Grünen alle Vorwürfe wegen der Auftragsvergabe in ihrem Ressort zurückgewiesen. Externe Aufträge seien nur vergeben worden, wo dies notwendig gewesen sei, weil die spezifischen Fachkenntnisse nicht zur Verfügung gestanden seien. Auch stehe jedem Auftrag eine adäquate Gegenleistung gegenüber.

Für oppositionelle Verärgerung sorgte Mikl-Leitner damit, dass sie einen großen Teil der Detailfragen unbeantwortet ließ. ÖVP- Klubchef Karlheinz Kopf sah hingegen eine "ausführliche Beantwortung der vielen Fragen".

Ministerin hielt sich allgemein

Aus Mikl-Leitners Antworten geht aber tatsächlich nicht hervor, wer genau im Ressort für die jeweiligen Auftragsvergaben verantwortlich gewesen sei oder welche Qualifikationen jeweils für die Auftragserteilung ausschlaggebend gewesen seien.

Die Ministerin hielt sich eher allgemein und pochte darauf, dass alle Beschaffungsvorgänge innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der internen Richtlinien erfolgt seien. Sie seien "rechtlich zulässig und wirtschaftlich zweckmäßig" gewesen. All ihre Experten hielten sich stets an alle Vergabevorschriften. Vorwürfe der verdeckten Parteienfinanzierung wies Mikl-Leitner folgerichtig "mit Entschiedenheit" zurück.

Dass der Rechnungshof prüft, wird von der Innenministerin "selbstverständlich" begrüßt. Man habe 20 von 27 Empfehlungen umgesetzt. Ohnehin gebe es seit März im Ressort einen eigenen "Beschaffungsworkflow", der höchst mögliche Transparenz biete. Doch zeige das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten eine differenzierte Sichtweise, etwa mit der Feststellung, dass es eben Situationen gebe, in denen die Direktvergabe zulässig sei und dass der Rechnungshof die Vergabebestimmungen teilweise überspitzt auslege.

Pilz: Headquarter bekam zwischen 2007 und 2012 mehr als eine Million Euro

Genau dieses Gutachten von Universitätsprofessor Josef Aicher war den Grünen sauer aufgestoßen, auch wenn Sicherheitssprecher Peter Pilz den Experten an sich schätzt. Allerdings fand er es doch eigen, dass der Rechnungshof mit den Beraterverträgen im BMI abrechne und als Folge die Innenministerin gleich noch einmal ins Budget greife, einen Berater zu engagieren, der erkläre, dass es eh nicht so schlimm gewesen sei.

Pilz selbst vermutet, dass die Agentur Headquarter, die zwischen 2007 und 2012 mehr als eine Million aus dem Innenressort erhalten habe, gar nicht in der Lage gewesen sei, die geforderten Leistungen fachlich zu erbringen. Damit stellt sich für ihn die Frage, was mit dem Geld wirklich passiert sei. Geklärt haben will der Grüne, ob hier möglicherweise Geld für verdeckte Parteienfinanzierung aufgebracht worden sei, während man bei der Polizei und damit bei der Sicherheit abgebaut habe.

Von Mikl-Leitner fordert Pilz, als erste Vertreterin der ÖVP im Innenministerium mit dem System des Missbrauchs von Steuergeldern Schluss zu machen. Darunter versteht der Grün-Abgeordnete, möglichst viel Geld von den Auftragnehmern zurückzufordern und auch die Justiz einzuschalten.

Pendl: "Das hat nicht mehr stattzufinden"

Deutliche Worte fand SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl zur Vergabepraxis. Derartige Dinge dürften nicht mehr vorkommen, sagte er - mit Blick auf den ehemaligen Kabinettchef von Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP), Christoph Ulmer, der während einer Karenzierung im Ministerium einen Beratervertrag für das Innenministerium unter Strasser zum Thema Blaulichtfunk gehabt hatte.

Das "hat nicht mehr stattzufinden", sagte Pendl. Die Person Ulmer ziehe sich ja auch "wie ein roter Faden" durch den Rechnungshof (RH)-Bericht zur Vergabepraxis. Man müsse "klar feststellen, solche Abläufe haben in einer modernen Demokratie nix verloren".

Kopf an Pilz: "Schämen Sie sich!"

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf wandte sich klar gegen die Vorwürfe. Es sei "durchaus nachvollziehbar", dass Regierungsmitglieder "nicht hergehen, und bei der Strategieberatung Berater aus dem Umfeld des politischen Mitbewerbers" zur Rate ziehen. Solange dabei die Kriterien der Preisangemessenheit, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit angewendet würden werfe er das niemandem vor, sagte er auch mit Verweis darauf, dass etwa SP-geführt Ministerien auf die Expertise von SP-nahen Personen zurückgreifen würden.

Es sei durch das Vorgehen keinerlei Schaden für die Republik Österreich entstanden, betonte Kopf. In Richtung des Grünen Peter Pilz sagte er, die von ihm getätigten Vorwürfe seien der "schlechteste parlamentarische Stil, den man sich vorstellen kann, schämen Sie sich!". Den Ärger der Opposition, dass Ministerin Johanna Mikl-Leitner einen großen Teil der Detailfragen nicht beantwortete habe, konnte er nicht nachvollziehen. Zahlreiche Fragen hätten ja auch den gleichen Wortlaut gehabt, betonte der VP-Mandatar.

Strache: "Affront"

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache sprach hingegen von einem "Affront" und einer "Ungeheuerlichkeit", wie die Ministerin mit dem Anfragerecht der Abgeordneten umgegangen sei. Inhaltlich kritisierte er unter anderem, dass die Grenze der freihändig zu vergebenden Aufträge von 100.000 Euro laut RH-Bericht häufig unterlaufen worden seien und verwies auf Aufträge, die genau mit 99.999,99 Euro beziffert worden waren. "Sicher ein Zufall", sagte der Parteichef sarkastisch.

Auch BZÖ-Klubobmann Josef Bucher kritisierte die Antworten der Ministerin und sprach von einer "blanken Verhöhnung des Parlaments". "Es ist beschämend und eine Farce, wie sie sich heute im Hohen Haus verhalten haben, Frau Ministerin." Und auch das Team Stronach übte scharfe Kritik am Innenministerium. (APA, 3.4.2013)