"Unsere Kundin ist keine Bling-Bling-Frau", sagt Georg Wellendorff. Heuer feiert man 120-Jahr-Jubiläum.

Foto: Hersteller
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STANDARD: Sie laden Schmuckstücke mit Geschichten auf, die zum Beispiel von Schutzengeln handeln. Sehr zeitgemäß klingt das nicht.

Georg Wellendorff: Ich glaube, es gibt kein persönlicheres Accessoire als Schmuck. Sie fühlen, berühren und spüren ein Schmuckstück täglich. Deshalb hat Schmuck so eine starke Bedeutung für so viele Menschen. Das Verrückte ist, dass wir schon eine ganze Flut von Briefen mit Geschichten bekommen haben, die immer einen Bezug zu unserem Schmuck haben. Das war keine Social-Media-Kampagne!

STANDARD: Spricht man mit solch emotionalen Geschichten gezielt Frauen an?

Wellendorff: Solche Geschichten sprechen nicht nur Frauen, sondern auch Männer, also Menschen ganz allgemein an.

STANDARD: Wer kauft heute eigentlich Schmuck, immer noch ganz traditionell der Mann der Frau?

Wellendorff: Es kann der Mann sein, der der Frau einen bestimmten Ring schenkt, um an sich zu erinnern, während er auf Reisen ist. Es kann aber auch die Frau sein, die sich selbst etwas gönnt.

STANDARD: Für wen machen Sie Ihren Schmuck?

Wellendorff: Den machen wir für unsere Frauen. Für meine Mutter, meine Schwägerin, meine Frau. Wenn denen der Schmuck gefällt, dann können wir das Konzept multiplizieren. Es muss bei uns alles echt, authentisch, ehrlich sein. Alles, was diesen "wahren Werten" entspricht, das machen wir. Alles, was dem nicht entspricht, machen wir nicht.

"Man zeigt Understatement"

STANDARD: Mit Ihrem Slogan, den "wahren Werten", werben Sie seit 20 Jahren. Funktioniert das noch?

Wellendorff: Unsere Kundin ist sicher keine Bling-Bling-Frau, die den Raum betritt und mit ihrem Schmuck den großen Auftritt möchte. Es geht nicht darum zu zeigen, wie viel Geld man hat. Man zeigt mit unserem Schmuck Understatement, aber auch, dass man sich nur mit dem Feinsten zufriedengibt - das aber vor allem sich selbst gegenüber. 

STANDARD: Sie entwerfen nur wenige Stücke pro Jahr. Wie kommt es zur Entscheidung für ein bestimmtes Produkt?

Wellendorff: Das ist ein spannender Prozess. Unsere Jubiläumskollektion besteht aus drei Amuletten, zwei Ringen und zwei Paar Ohrringen. Das klingt nach wenig, aber bis wir diese Schmuckstücke kreiert haben, haben wir 600 Entwürfe gemacht. Von diesen setzen wir 60 Prototypen um. Ganz zum Schluss realisieren wir sechs neue Produkte.

STANDARD: Wie läuft die Fertigung ab?

Wellendorff: Wir machen alles in unserer eigenen Manufaktur, damit wir während jedes Fertigungsschrittes die Qualität kontrollieren können: Von der Legierung über das Design bis zur Endkontrolle unter dem Mikroskop. Ein Team von jungen Designern, aber auch die Goldschmiede machen Vorschläge, teilweise nehmen wir auch von unseren Kunden Anregungen auf. Dann wird heftig und emotional in unserer Familie diskutiert.

STANDARD: Und der letzte Filter im Entscheidungsprozess?

Wellendorff: Der sind wieder unsere Frauen. Erst wenn die nach dem Probetragen sagen, dass der Schmuck leicht anzuziehen ist, sich die Verschlüsse einfach öffnen lassen und die Kette weich und anschmiegsam ist, wird er gefertigt. Der Boss sind bei uns zum Schluss die Frauen.

STANDARD: In der Branche war man sehr verwundert, dass Wellendorff ab heuer nicht mehr auf der Baselworld vertreten ist. Was steckt hinter diesem Rückzug?

Wellendorff: Nachdem die Messeleitung eine Neustrukturierung angekündigt hat, haben wir beschlossen, weltweit keine Messebeteiligung mehr zu planen. Dafür investieren wir in den direkten Dialog in Form von regionalen "Strategiegesprächen" mit unseren weltweiten Juwelieren. Ziel dieser Strategiegespräche ist die Planung und Vereinbarung von konkreten Abverkaufsideen für den Juwelier.

STANDARD: Wellendorff ist ein Familienunternehmen. Das hat nicht nur Vorteile, oder?

Wellendorff: Wir haben glücklicherweise eine größere Nachfrage zu verzeichnen, als wir herstellen können. Deshalb müssen wir niemandem Rechenschaft ablegen: Wir haben keine Banken, die uns etwas vorschreiben, wir haben keine Aktionäre, wir können uns unsere Vertriebspartner selbst aussuchen. Wir können also den Schmuck machen, den wir wollen. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 5.4.2013)