Vor 20 Jahren tauchte ein blaues, hochtechnisiertes Stufenheck in der Rallye-WM auf: der Subaru WRX STI. In der nicht viel braveren Straßenversion sollte die gedopte Familienlimousine ein Klassiker werden. Eine Aufarbeitung

Tiefenpsychologisch betrachtet war das Ganze natürlich ein klassischer Fall von Überkompensation. Biederer Autohersteller, aus Japan notabene, seit Jahrzehnten in der einschlägigen Kritik und beim Käufer als technisch eigenwillig, ansonsten aber als "brav" und "solide" bekannt, will nicht nur wahr-, sondern auch ernst genommen werden und zündet zu diesem Behufe ein unschuldiges Familien-Stufenheck an allen Ecken und Enden an. Über 200 Turbo-PS aus einem Vierzylinder-Boxermotor, Allrad, Sperrdifferenziale hinten und zwischen den Achsen, Heckflügel draufgetackert – fertig war der erste Impreza mit dem Kürzel WRX, der im September 1992 in Japan debütierte.

Die willenlos gedopte Familienlimousine war das Herzstück eines großen Plans, mit dem die Konzernmutter Fuji Heavy Industries die Rallye-Weltmeisterschaft zu dominieren gedachte. Nur in der Formel 1 konnten Minderwertigkeitsgefühle ähnlich rasch gegen Image (und Verkaufszahlen) eingetauscht werden.

In Sachen Rallye-WM hatten es Toyota und Datsun bereits vorgemacht, die Kollegen von Subaru, die mit dem Leone Turbo ein Ausrufezeichen gesetzt und mit dem größeren Legacy ein echtes Siegerauto entwickelt hatten, wollten Ähnliches – also die Institutionalisierung des Triumphs.

Rallye für die Familie: Der Universalist Subaru WRX STi. (Foto: AFP/Abbonzio)

Blöd allein, dass Mitsubishi mit dem frivol gesichtslosen Lancer genau die gleiche Idee hatte. Nahezu zeitgleich debütierten Impreza WRX und Mitsu Lancer Evolution. Beide sollten zu klassischen WRC-Duellanten und Ikonen des Rallye-Sports mit Straßenzulassung aufsteigen. Ausgeräumt, aufgezwirbelt und mit implantierten Stahlrohrgewächsen versehen, gaben die Geräte fortan die Basis-Kits für den ambitionierten Nachwuchs-Drifter. In der Euro-pro-PS-Wertung waren die Hardcore-Japaner ohnehin unschlagbar. Leistungsmäßig vergleichbare Ware kam deutlich teurer, machte aber bloß halb so viel Spaß – und hatte nicht mal vier Türen und einen ordentlichen Kofferraum.

1993 und damit vor 20 Jahren kamen die ersten von der britischen Tuning-Manufaktur Prodrive nochmals zugespitzten Imprezas erstmals in der Rallye-Oberklasse zum Einsatz. Und Subaru legte einen Schnellstart hin.

Die heilige Dreifaltigkeit

Bereits im Jahr des Debüts schrieb der schottische Jungstar Colin McRae bei der 1000-Seen-Rallye mit Platz zwei an – ein quasi genetisch bedingter Erfolg: Schließlich waren die Japaner seit Jahrzehnten ausgewiesene Allrad-Spezialisten, die stets das gesamte Fahrwerks-Layout ihrem "Symmetrical AWD" genannten System untergeordnet hatten. Möglichst viel Gewicht der Antriebs- und Allradkomponenten so tief wie möglich auf der Längsachse des Fahrzeugs zu verteilen lautete und lautet die Devise, eine Idee, der auch die flacher bauenden Boxer-Aggregate gehorchten. Allrad + Boxermotoren + niedriger Schwerpunkt: Das war Subarus heilige Dreifaltigkeit.

Doch was fahrdynamisch ein echter Gewinn war, hatte die Japaner auf dem freien Markt in die Rolle eines Nischenplayers gedrängt. Die Boxermotoren waren Säufer vor dem Herrn, vier angetriebene Räder bis Anfang der 1990er bestenfalls in diversen Bergregionen gefragt, eine Diesel-Alternative galt damals in der Bibel nach Subaru als glatte Häresie.

Erste Spiele-Konsole

Vom Erfolg auf den Rallye-Strecken animiert, legten die Japaner dennoch unverdrossen nach und gaben einer angefixten Jugend und praxisorientierten Familienvätern mit Leistungsbedarf im Frühjahr 1994 den WRX STi, eine Brutalitätsversion des Impreza, zum Spielen. Der war eine von der hausinternen Sport- und Tuning-Abteilung Subaru Tecnica International in Handarbeit gefertigte Hardbody-Version des WRX, die im Jahr 1994 in Europa anlandete.

Am österreichischen Markt hieß das Stufenheck Impreza Turbo GT, für das der Importeur 500.000 Schilling (33.900 Euro) aufrief. Rallye mit Straßenzulassung – damit waren die Japaner in jenen Tagen ziemlich konkurrenzlos. Schließlich war der zivile Lancia Delta Integrale ausgelaufen, der Mitsubishi Lancer Evolution noch nicht auf dem Markt. Ein VW Golf VR6 syncro (335.000 Schilling) hatte genau null Waldweg-Sexappeal.

Ganz im Gegensatz zum Impreza Turbo GT: Der mobilisierte 250 PS aus dem an sich bekannten 2-Liter-Turbo, hatte einen genreprägenden Heckspoiler, spezielle Felgen und ein echtes Schmankerl für Freunde des Driftwinkels: ein elektronisches Mitteldifferenzial (Driver's Control Centre Differential, DCCD), das die Energie zwischen Vorder- und Hinterachse automatisch verteilte. Für echte Profis indes war der manuelle Eingriff per Rändelrad in der Mittelkonsole gedacht. (Später kam dann noch der ganze elektronische Klimbim mit diversen Fahrmodi für verschiedene Untergründe dazu.) Damals reichte derlei, um den Impreza WRX STi als die erste Spiele-Konsole vor Erfindung der Spiele-Konsole und den Über-Impreza als Blaupause für die seriennahe Rallye-Gruppe N zu etablieren.

Komplexer Stammbaum

In der Oberliga namens Rallye-Gruppe A hatte inzwischen Subaru-Werksfahrer Carlos Sainz das japanische Stufenheck fest etabliert. Drei Siege (Akropolis, Neuseeland und die britische RAC) brachten dem Spanier 1994 Platz zwei in der Gesamtwertung, in der Saison darauf war der britische Markenkollege Colin McRae (fünf Siege bei acht Rallyes) nicht zu biegen: Subaru holte mit dem Impreza sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteurs-WM. Angesichts des totalen Triumphs und fanatischer Fan-Boys in Großbritannien und der seit jeher Subaru-affinen Schweiz verästelten die Japaner ihr Hardcore-Angebot für die Straße in unzählige Editionen und Super-Sonderserien.

Unterschiedliche limitierte Trimms samt Kombi- und Coupé-Versionen für Japan, Europa und spezielle Importeurs-Ausgaben plus allerlei abgestrippte Rennversionen ("Race altered") machten den WRX-STi-Stammbaum komplexer als die Steuererklärung eines ehemaligen österreichischen Finanzministers. Basis des Wildwuchses war die STi-Version von 1995, die nun 275 PS an die Räder brachte.

Gleichzeitig fand die schrille Optik des Rallye-Geräts mit der legendären 555er-Serie ihren Weg auf die Straßen: Dunkelblaue Lackierung, gelbe Kriegsbemalung, goldene BBS-Felgen, Bügelbrett hinten drauf – fertig waren die enigmatischen Looks, die fortan nächtens die Träume des Jungvolks oder verschwiegene Forst- und Stichwege dieses Landes bevölkern sollten.

Vorne: Die Zivilversion von 2001. Hinten: Das Spielzeug fürs Wochenende. (Foto: Subaru)

Dort passierte gar Wundersames: Der Impreza machte einen durchschnittlichen Fahrer nicht nur schnell, sondern gab ihm das (mitunter trügerische) Gefühl, ein richtig guter Fahrer zu sein. Schließlich ging der blaue Keil verhältnismäßig einfach und proper von der Hand.

Der drehfreudige Boxer-Vierzylinder servierte die Kraft in nahezu allen Drehzahllagen, die Lenkung war nicht zu spitz, eher gnädig, Bremspunkte wurden indes präzise exekutiert, der relative hohe Aufbau lag dank des niederen Schwerpunkts solide auf der Straße, die Federung war hart, aber von einem halbwegs sensiblen Hintern gut auslesbar. Kurzum: Der Impreza war und ist ein Untier mit eingebautem Vertrauensbonus – ganz im Gegensatz zum schärfsten Konkurrenten, dem Mitsubishi Evo.

Der fuhr sich vor allem in den ersten Versionen wie eine angestochene Wildsau, wirkte deutlich filigraner, aber auch leichtfüßiger, zerrte dafür viel nervöser am Lenkrad. Traum des ambitionierten Heel-and-Toe-Akrobaten waren sie beide.

Nie schön, bloß schnell

Auf den Rallye-Strecken dieses Erdballs war der Evo allerdings nicht mehr zu knacken. Viermal holte Tommi Mäkinen für Mitsubishi zwischen 1996 und 1999 das Fahrer-Championat, für die Blauen blieben immerhin zwei Konstrukteurstitel. Die Spezifikationen der STi-Straßenversionen änderten sich in jener Zeit jährlich, die Leistungen pendelten zwischen 280 und 300 PS. Die Fähigkeiten wuchsen, so nahm die limitierte, quasi rallyefertige Impreza-Abart 22B-STi (2,2 Liter Hubraum und 280 PS) von 1998 Tempo 100 in 4,2 Sekunden. Ein Porsche 911 Turbo krakeelte drei Zehntel später durch.

Anfang 2001 landete in Europa eine neue Impreza-Generation an. Die Zivilversion stand nicht in Verdacht, einen Schönheitspreis zu gewinnen. Geschenkt. Die Fans warteten ohnehin bloß auf den neuen nandrolonen Bläuling.

Dieser WRX STi zeigte sich in der Straßenversion zwar skurril (die Glubschaugen, die Lufthutze, das Mega-Brett), technisch aber konzentriert aufgemöbelt: Aus 2 Litern Hubraum kamen nun 265 PS (0-100 km/h in 5,5 Sekunden), an der Vorderachse werkte zusätzlich ein Sperrdiff, einen sechsten Gang gab's auch. Von Bilstein kam das Upside-down-Fahrwerk, von Bridgestone die eigens abgemischte Sportbereifung. In der Rallye-Version besorgte dieses Setup im Jahr 2001 Subaru und dem früh an Krebs verstorbenen Richard Burns den zweiten Fahrer-WM-Titel. Zwei Jahre später sicherte sich der Norweger Petter Solberg mit einem Punkt Vorsprung die Trophäe.

Schleichendes Ende

Da hatte sein Dienstfahrzeug die Rundaugen schon längst gegen hausbackene Leuchten eingetauscht. 2005 gab's wieder einen neuen Look, die Zahl der STi-Sondereditionen war wieder auf ein halbes Dutzend gewachsen.

Mit der ab 2007 auflaufenden neuen Impreza-Generation war der Subaru-Hardbody für ein paar Jahre seinen Heckknick los (zum Ausgleich war das i im Kürzel STI nun großgeschrieben). Als klassischer "Hot Hatch" suchte das Fließheck (2,5 Liter Hubraum, 300 PS, 5,2 Sekunden auf 100 km/h) fortan neue Fans. Allein: Mit der Zeit hatte der Impreza WRX STI seine Strahlkraft verloren. Sei es auf der Rennstrecke (Subaru verlor nach dem Solberg-Triumph und Vize-Weltmeistertiteln in den beiden Folgejahren den Kontakt zu den absoluten Spitzenplätzen, 2009 stieg das Werksteam schließlich aus der Eliteliga des Rallyesports aus), sei es beim Nachwuchs.

Blau ist eine Waffe

Der holte sich die Thrills mittlerweile vor der Spiele-Konsole, bei den Semiprofessionellen war der Impreza als Einstiegswaffe längst nicht mehr erste Wahl. Puristisch, unmittelbar waren die neuesten STI- und Mitsubishi-Evo-Versionen angesichts des Elektronik-Aufmarschs ohnehin nicht mehr.

Zurück bleibt die Erinnerung an einen vom gefährlichsten Blau aller Zeiten zusammengehaltenen Charakterdarsteller, der eine erratische Silhouette mit überbordendem Leistungsvermögen und einem Trumm von Heckflügel kompensierte. Ausgerechnet ein paar Schönlinge, die im Frühjahr gezeigte Studie namens WRX und – möglicherweise – eine STI-Version des BRZ-Coupés, sind aufgerufen, an diese große Tradition anzuschließen. Die des prächtigen, endzweckgerichteten Flügelmonsters namens Subaru Impreza WRX STI.

Impreza impressiv. Zur Ansichtssache:

Vier Türen, praktischer Kofferraum und ein noch praktischeres Bügelbrett am Heck: ein früher Subaru Impreza WRX STi. Alltagstauglich? Gewiss. Besser gesagt: gewissermaßen.

Foto: subaru

Der STi in seiner natürlichen Umgebung, konkret bei der Australien-Rallye des Jahres 1997.

Foto: subaru

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Subaru-Star jener Tage: der Schotte Colin McRae. Am heißen Sitz: Nicky Grist. McRae war 1995 für einen legendären Doppelschlag (Fahrer- und Marken-WM-Titel) verantwortlich.

Foto: afp/canazzi

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Genretypischer Heckflügel, bewegt bei der britischen RAC des Jahres 1997. Subaru hatte in dieser Saison gegen Tommi Mäkinens Mitsubishi Evo wenig auszurichten.

Foto: apa/batchelor

Das entsprechende Angebot mit Straßenzulassung: Zu erkennen sind stilprägende Elemente wie die Lackierung des Rallye-Geräts (Micablau), goldene BBS-Felgen und eine ansehnliche Lufthutze.

Foto: subaru

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Das Jungtalent Richard Burns im Jahre 1999 bei der Argentinien-Rallye. Der Brite holte für Subaru zwei Jahre später die Fahrer-WM.

Foto: reuters/cacere

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Der Impreza, in der Zivilversion ein optisch herrlich belangloses Familien-Kastl, wurde 2000 von einer neuen Generation beerbt. Der wirre Blick des Neuen wurde bereits ein Jahr später wegretouchiert.

Foto: apa/yamanaka

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Richard Burns war's egal. Hier fährt er auf Zypern seinem WM-Gesamtsieg entgegen.

Foto: apa

Nicht zuletzt dank der Allradlösung "Symmetrical AWD" hatten die Japaner ein echtes Winner-Paket im Bewerb. Schön zu sehen: Alle vortriebsrelevanten Teile sind tief an der Längsachse aufgefädelt. Nachteil des Systems: Motor und Allradsystem bildeten eine relativ unflexible Einheit.

Foto: subaru

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2002 kam Rallye-Dominator Tommi Mäkinen (hier in hoher Not) zu Subaru. Keine gute Idee.

Foto: apa/dennis

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Denn Teamkollege Petter Solberg war in jenen Tagen nicht zu biegen. Der Norweger fuhr 2003 den Fahrer-WM-Titel ein. Danach holte er mit dem Impreza zwei Vize-WM-Titel.

Foto: apa/mitsouras

Eine Art Zivilversion für den Straßeneinsatz markierte 2004 dieses prächtige Geschwür. Wir halten bei 265 PS, 0-100 km/h in 5,5 Sekunden und 238 km/h Topspeed.

Foto: subaru

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Petter Solberg in Moksi-Leustu, also bei der Finnland-Rallye.

Foto: reuters/lehtikuva

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Finnland ist für ausgiebige Flugphasen bekannt. Aber auch bei der Akropolis sowie ...

Foto: reuters/behrakis

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... in Australien waren für Subarus hohe Luftstände zu erzielen.

Foto: reuters/behrakis

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Mancher Ausflug endete indes letal.

Foto: apa/martella

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2005 gab's wieder ein Facelift für den Impreza. Die Straßenversion holte in jener Zeit aus einem 2,5-Liter-Vierzylinder 280 PS und einen Sprintwert von 5,4 Sekunden. Wenn der Lader einsetzte, setzte wie ehedem eine eher brachiale Klangkulisse ein. Sehr gut.

Foto: ap/messinis

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Ab 2007 war der STI (nun mit großem I geschrieben) mit der neuen Impreza-Generation sein Stufenheck los. Die Fließhecks kamen noch bis 2009 in der WRC zum Einsatz. Dann zog man in Japan im Schatten der Wirtschaftskrise den Stecker. Eine der erfolgreichsten Marken der Rallye-Geschichte zog sich aus dem Bewerb zurück. Seitdem bediente man Aspiranten in der WRC2. 2010 bekam die Straßenversion des STI wieder den obligaten Heckknick.

Foto: reuters/karahalis

Völlig neu legt Subaru das Thema Impreza in der mittlerweile sechsten Generation an. Das Concept Car mit dem signifikanten Kürzel "WRX" im Namen debütierte im Frühjahr bei der New York Auto Show. Zu erkennen ist eine schneidige Coupé-Linie, die dennoch nicht auf vier Türen verzichtet.

Foto: subaru

Das Heck kommt ohne den obligaten Heckflügel aus. Stattdessen besorgt ein Diffusor den gewünschten Anpressdruck. Marktstart und Motorisierung sind noch ungewiss.

Foto: subaru

Einschlägige Internetforen wurden vor kurzem von diesem Prachtstück erschüttert: einem BRZ in STI-Montur. Doch das Coupé bleibt als tS dem japanischen Markt vorbehalten. Der setzt auf verschärfte Optik, größere Bremsanlage und Sportfahrwerk, kommt aber ohne Turbomotor aus. Verdikt in der Szene: kein richtiger STI. Wir warten also noch immer auf eine Wiederkehr des schönen, hässlichen blauen Untiers. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 27.8.2013)

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