(Ein etwa vierzigjähriger Mann - graumelierte Schläfen, modischer Anzug, Krawatte, Aktenköfferchen - geht nervös auf und ab, dabei immer wieder zur Bürotür blickend. Aus dem Büro zwei Männerstimmen.)
MÄNNERSTIMME 1: Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?
MÄNNERSTIMME 2: Nichts. Im Gegenteil. Ich habe dir etwas mitgebracht.
MÄNNERSTIMME 1 (entsetzt): Nein!
MÄNNERSTIMME 2: Das ist für dich! Und das auch! Und das!
MÄNNERSTIMME 1 (verängstigt): Nein! Bitte!
MÄNNERSTIMME 2: Wie, reicht es dir nicht? Na, gut, dann nimm das! Und das!
MÄNNERSTIMME 1: Aber warum? Wofür?
MÄNNERSTIMME 2: Weil du es verdient hast, du Hund! Du weißt es genau!
MÄNNERSTIMME 1: Bitte! Ich kann nicht!
MÄNNERSTIMME 2: Ach, du kannst nicht? Das werden wir ja gleich sehen! Da! Und da!
MÄNNERSTIMME 1: Aufhören! Bitte!
MÄNNERSTIMME 2: Hast du endlich genug? Sag es! Hast du endlich genug?
MÄNNERSTIMME 1: Genug, ja! Genug!
MÄNNERSTIMME 2: Dann sind wir uns einig?
MÄNNERSTIMME 1: Ja.
MÄNNERSTIMME 2: Gut.
(Pause. Der graumelierte Mann bleibt stehen. Die Bürotür geht auf, und ein schwerer, bärtiger, tätowierter Mann tritt auf den Gang.)
DER TÄTOWIERTE (zum Graumelierten): Sie haben den Auftrag.
DER GRAUMELIERTE: Wie viel?
DER TÄTOWIERTE: Zweihunderttausend.
DER GRAUMELIERTE: Schweineteuer. Und alles nur wegen diesem Scheißantikorruptionsgesetz. Wenn man nicht ordentlich bietet, geht niemand mehr ein Risiko ein. Der Wirtschaft schadet sowas natürlich enorm.
DER TÄTOWIERTE: Wenn wir es nach meiner Methode gemacht hätten, hätte es gar nichts gekostet.
DER GRAUMELIERTE (mit strafendem Blick): Wir sind Geschäftsleute, mein Lieber, keine Kriminellen.
(Vorhang)
(Antonio Fian, DER STANDARD, 30./31.3., 1.4.2013)