Was alles möglich ist: Wie hier bei BMW kommen zunehmend digitale Anwendungen im Auto zum Einsatz.

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Es gibt sie noch, die Eremiten unter den Autofahrern. Jene, die den täglichen Stau der überfüllten U-Bahn vorziehen, um hinter den getönten Scheiben so etwas wie Privatsphäre zu finden, fernab von Kindergeschrei und Bürotratsch.

Facebook im Cockpit

Geht es nach den Vorstellungen der Autoindustrie, gehören diese Menschen aber einer aussterbenden Rasse an. Der Trend geht nämlich auch hinter dem Steuer Richtung Social Media. Für so manchen Facebooker im Cockpit ist es ja ein Unding, seine Freunde nicht mit der Neuigkeit zu beglücken, gerade im Auto zu sitzen. Auch jahreszeitenunabhängiges Gezwitscher sollte bis hinter das Lenkrad zu hören sein, will man nichts versäumen.

Apps erobern das Auto Bei BMW ist das heute schon möglich. Voraussetzung dafür ist "Connected Drive", mit dem das Fahrzeug zum "integralen Bestandteil einer vernetzten Lebenswelt" wird. Mit dazupassenden Applikationen ist man beim sozialen Netzwerken dabei und darf sogar selbst posten, ohne die Finger vom Lenkrad nehmen zu müssen - Sicherheit geht schließlich vor.

Vorformulierte Updates

Dafür gibt es vorformulierte, deswegen aber nicht minder aktuelle Nachrichtenbausteine: "Sieben Grad, bin in Klappersdorf Fahrtrichtung Unterstinkenbrunn" auf Knopfdruck - und schon gibt es ein paar Likes von wirklich treuen Freunden. "Connected Drive" umfasst aber nicht nur Social Media. Zur vernetzten Mobilität gehören auch Anwendungen, die durch die Interaktion mit der Außenwelt die Sicherheit erhöhen, wie etwa die Überholverbotsanzeige, die unaufmerksame Fahrer vor zu viel Vorwärtsdrang abhalten soll. Der Komfortbereich kommt ebenfalls nicht zu kurz: Über das iPhone kann der BMW-Fahrer die Innentemperatur im Fahrzeug regeln, selbst wenn er noch in der Sauna sitzt.

Deutsche Ingenieure dürften überhaupt sehr kommunikationsfreudig sein. Im A3, mit dem Audi auf eine jüngere Käuferschicht abzielt, ist die facebookfreie Zeit jedenfalls Geschichte. Ähnlich wie bei BMW informieren "vorgefertigte Bausteine den ganzen Freundeskreis, dass man gerade im Stau steht und wie lange dieser Zustand schon anhält", wie es auf der Homepage von Audi heißt. Schön, wenn man Freunde hat, die nichts zu verbergen haben.

Der Lenker kann sich auch alte E-Mails oder SMS vorlesen lassen und über "Voice Command" sogar selbst versenden. "Audi Connect" kann aber noch mehr: Wenn der Fahrer einmal nicht weiß, was gerade außerhalb seines Autos vor sich geht, informiert ihn das Programm "City Events" über alle möglichen Veranstaltungen, sortiert nach Entfernung und Eintrittspreis.

Safety first

Sicherheitsexperten beurteilen den Vorstoß dieser Technologien kritisch: Die zunehmende Vernetzung sei gut, solang sie der Verkehrssicherheit diene, meint ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Dennoch müsse eine Grenze bei der Informationsdichte gezogen werden. "Die Menschen sind auf andere Geschwindigkeiten programmiert und überfordern im Auto rasch ihre Aufnahmekapazitäten."

Auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit warnt vor zu großer Beeinflussung des Fahrers. Der Fahrer müsse in einem Zustand sein, der das sichere Lenken ermöglicht, so Chefjurist Armin Kaltenegger. "Davon ist aber oft keine Rede."

Siri an Bord

Schweigen ist auch in der E- Klasse von Mercedes keine Tugend mehr. Zumindest dann, wenn Siri mit an Bord ist. Über diese Apple-Anwendung greift der Fahrer mit seiner Stimme auf sein Smartphone zu und kann E-Mails versenden, Aktienkurse überprüfen oder auf Facebook posten: Alles ist möglich - sofern man von Siri verstanden wird. In Zukunft wird Mercedes im Bereich Web-Applikationen mit der Deutschen Telekom zusammenarbeiten. Echtzeit-Verkehrsinformationen, Personal Radio oder der Zugriff auf soziale Netzwerke sind dann über das von der Telekom mitentwickelte Multimediasystem "Command" möglich.

Die Zeiten der Langeweile gehören im Auto jedenfalls der Vergangenheit an. Damit der Lenker die Segnungen der Kommunikationstechnologie allerdings richtig genießen kann, wäre es an der Zeit, à la Knight Rider, nicht mehr lenken zu müssen. Damit sich auch die Sicherheitsexperten entspannt zurücklehnen können. (Christian Withalm, DER STANDARD, 29.3.2013)