A. Siekmanns Theaterkulisse für "die ökonomische Macht der öffentlichen Meinung ..." mit einem hilfreichen Reader zu neoliberalen Elitenetzwerken und Co.

Foto: Feßler

Bregenz - "Wir haben keine Wahl, wir sind auf ewig miteinander verbunden" , spricht der Mann und streicht ihr über das rotblonde Haar: "Dich bei mir zu haben ist magisch." Seit 30 Jahren sind die beiden, die Liebesschwüre und Zärtlichkeiten austauschen, ein Paar. Ein anderer Ehemann bricht die wichtigen Dinge des Lebens auf die Trias "Du, die Familie, die Arbeit" herunter. Gute Beziehungen sind intellektuell, davon ist ein drittes Pärchen überzeugt. Er: "Dein süßes kleines Hirn liebe ich am meisten". Julika Rudelius hat Paare in Miami besucht, lässt sie im Film One of Us über ihre Gefühle sprechen, gerade weil ihr die öffentliche Deklaration von Liebe, etwa auf Social-Media-Plattformen, unheimlich geworden ist.

Tatsächlich sind auch dem Betrachter die Bekenntnisse der Protagonisten nicht ganz geheuer. Sie sprechen zwar frei von der Leber weg, agieren aber zu eingeflüsterten Stichworten. Der eintretende Brecht'sche Verfremdungseffekt hilft, über die Inszenierung und die Warenhaftigkeit des Gutes "romantische Liebe" nachzudenken.

Hat sich die Bedeutung von Liebe mit derjenigen von Konsum, Waren und Freizeittechnologien vermengt? Das fragt sich auch Kunsthaus-Bregenz-Direktor Yilmaz Dziewior. Liebe ist kälter als das Kapital heißt die Ausstellung, die im Titel beim neoliberalismuskritischen Regisseur und Autor René Pollesch Anleihen nimmt. "Alle sozialen Beziehungen, wie Leute miteinander umgehen, sind plötzlich Emotionsunternehmen. Soziale Beziehungen sind nur noch Dienstleistungen", heißt es in dessen Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr etwa so wahr.

Rudelius' One of us öffnet ein breites assoziatives Feld zur romantischen Liebe, in dessen weichgespülte Atmosphäre Teresa Margolles' Installation wie ein teuflischer Blitz hineindrischt: 313 Titel der Tageszeitung PM aus Ciudad Juárez in Mexiko, einer Stadt mit zig ungeklärten Frauenmorden, sammelte sie. "Sieben im Morgengrauen" steht in fetten Lettern über einem Bild von Leichen in einem Kofferraum. Daneben ein Foto der in Wäsche posierenden Eva Mendes. Gewalt und Sex, so verkaufen sich Zeitungen.

Aber trotz solch drastischer Gegenüberstellungen scheitert die Ausstellung daran, das zu umreißen, was im schriftlichen Essay gelingt: die Säkularisierung und Ökonomisierung von Gefühlslagen. Vielmehr ist es eine rein kapitalismuskritische Schau, jedoch mit unüberzeugend illustrierenden Arbeiten. Die meisten Werke sind schlicht ungesprächig (textliche Vermittlungsversuche bleiben aus). Daher hagelt es Fragezeichen - etwa vor den Installationen von Yorgos Sapountzis und Neil Beloufa. Letzterer beschallt seine Filmschnipsel mit Nico: "And what costume shall the poor girl wear. To all tomorrow's parties?"

Zerknitterte Luxusladys

Das ist beinahe so platt wie die Mercedes-Felge am Rollstuhl (Isa Genzken), die kolossale Euromünze (Ken Okiishi), die "Porträts" zerknitterter Luxusladys (Cindy Sherman) oder die mit leeren Packerln dekorierte Discokugel (Pascale Marthine Tayous).

Da können Rosemarie Trockels appropriiertes Life-Cover von 1964, das Gold, Sex und den Kalten Krieg entlarvend in ein einziges Bild bannt oder Andreas Siekmanns famoses mechanisches Figurentheater nur wenig das Ruder herumreißen. Er lässt die hohlen Protagonisten des Kapitalismus - "Parlapayment", "Einflüsterer" und "Drehtürenkapitalismus" - an Kulissen vorbeiziehen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 29.3.2013)