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Held bis heute: Stil-Ikone David Bowie.

Foto: Steve Schapiro / Corbis

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Kaum einer vollzog ihn öfter als die Stil-Ikone David Bowie: den Tapetenwechsel bei seinem Outfit. Die Aufnahme zeigt ihn 1976.

Foto: Steve Schapiro / Corbis

1973 als Aladdin Sane in einem Bodysuit von Kansai Yamamoto.

Foto: Sukita / The David Bowie Archive

 David Bowie is: allgegenwärtig. Der 66-jährige Brite erfreut sich derzeit nicht nur an Titelblättern der wichtigsten internationalen Musikzeitschriften. Nach zehn Jahren Pause wegen einer Herzerkrankung veröffentlichte Bowie vor einigen Wochen sein Comebackalbum The Next Day. Die 14 Songs darauf zählen zwar nicht zum außergewöhnlichsten Material seiner Karriere, zitieren aber die wichtigsten Karrierestationen, ohne dabei allzu sentimental zu werden. Dass David Bowie diesen Schritt zurück in die Öffentlichkeit von langer Hand plante und nicht eben so wieder aktiv wird, zeigt die ebenfalls von langer Hand geplante Großausstellung David Bowie is im Londoner Victoria and Albert Museum.

Wer durch die Museumsräume flaniert, bekommt die Gewissheit, dass hier ein Künstler schon immer den zukünftigen Nachlass und seine Hagiografen im Auge hatte. Die Kuratoren des Museums erhielten uneingeschränkten Zugang zu David Bowies Archiv in New York. Dieses umfasst sagenhafte 75.000 Erinnerungsstücke, die aus sämtlichen Bühnenkostümen seiner Laufbahn bestehen, aber auch Musikinstrumente, handgeschriebene Songtexte, Bühnenmodelle, Coverentwürfe, ein Dankschreiben von Elvis Presley und anderes Strandgut aus einem halben Jahrhundert enthalten. 300 Erinnerungsstücke sind nun in London zu sehen.

David Bowie arbeitete seit seinen Anfängen bei einer Band namens The Konrads, dem noch etwas unentschlossenen Versuch als Hippiedarsteller und dem Durchbruch mit Ziggy Stardust bis herauf ins Heute als Gesamtkunstwerk seiner selbst. Seit einiger Zeit gibt er sich nun mehr oder weniger nur als "David Bowie". Allerdings darf "Authentizität" bezüglich ihrer Wahrhaftigkeit von jeher stark in Zweifel gezogen werden.

David Bowie ist im Rückspiegel dann auch der Mann mit dem Blitz im Gesicht und den feuerroten Haaren. Aladdin Sane nannte er sich nach dem Ende Ziggy Stardusts. Er malte sich Anfang der 1970er-Jahre, beeinflusst vom japanischen Designer Kansai Yamamoto einen Wahnsinn verkündenden Blitz ins Gesicht. Achtung, Wortspiel: a lad insane! Von Yamamoto ließ er sich 1973/74 auch für die Tournee, auf der er unter anderem erstmals die USA erobern wollte, die Kostüme gestalten. Man sieht in London etwa den berühmten asymmetrischen Bodysuit, mit dem er später auch Diamond Dogs gab - oder den damals für Furore sorgenden schwarzen Vinylanzug mit den absurd weiten Hosenbeinen. Bowie gestaltete im Verein mit seinem frühen Hausdesigner Freddie Burretti zuvor auch noch diverse Ziggy-Outfits, vor allem lustige quietschige Jumpsuits.

Einflüsse aus der Modewelt scheinen überhaupt Bowies gesamte Karriere zumindest begleitet zu haben. Im Laufe seiner weiteren Karriere folgten für die 1976er-Tour namens Station To Station strenge Formen. Es waren die Berliner Jahre, die Musik und die Outfits wurden schwarz-weiß und schlicht. Giorgio Armani konnte jetzt schon einmal für seine etwas aufgerüschten Kostümkreationen für Bowies Sound-and-Vision-Gastspielreise 1990 zu trainieren beginnen. Lederjacken auf nackter Haut mussten auf jeden Fall auch sein. Bowie war die alte Mischung aus schneidigem Glam- und Boogierock unter besonderer Berücksichtigung des Musicals und großen spaßigen Konfettidonners etwas leid. In Berlin entdeckte er expressionistische Maler wie Erich Heckel oder Ernst Ludwig Kirchner und begann ebenfalls in diesem Stil zu malen. Man sieht in London auch David Bowie in Öl. Die Malerei zählt aber nicht zu den vordringlichsten Talenten des Meisters. Musikalisch folgte in Berlin dank der Einflüsse repetitiven elektronischen Krautrocks der Höhepunkt seiner Karriere. Heroes, Warszawa, V-2 Schneider, diese Nummern.

Auch wenn er später als angsteinflößender Weißclown der Scary-Monsters-Phase (Ashes To Ashes!) auftreten sollte, den Discoprinz im pfirsichfarbenen Anzug (Let's Dance) inklusive gachblonder Haartolle spielte - oder in jüngerer Vergangenheit zerschossene Gehröcke im Union-Jack-Design von Alexander McQueen trug: Wenn man den top-feschen zwänglerischen Kinderanzug für Erwachsene von Hedi Slimane betrachtet, den Bowie zuletzt 2002 als Bühnengarderobe wählte, bevor er 2003 in einen grauenhaften Mad-Max-Smoking der Deth Killers of Bushwick stieg, erfüllt es den Betrachter mit Dankbarkeit, seine unterkühlte Phase und nicht das stilistische Kasperltheater erlebt zu haben. David Bowie is. Aber was genau ist David Bowie nun wirklich?

Auf Videobildschirmen sieht man Interviews. Sie könnten Antworten auf Fragen geben wie: Wie sind Sie, Herr Bowie, auf die Idee gekommen, Little Richards Urschreimusik mit William S. Burroughs Cut-up- Methode zu verbinden? Gibt es Leben auf dem Mars? Was nimmt man, damit das Leben die Länge einer Zigarette bekommt? Im neuen Video sieht man Tilda Swinton und Sie als altes Ehepaar. Kann es sein, dass es sich bei Frau Swinton und Ihnen um ein und dieselbe Person handelt und Sie die letzten Jahre als Schauspielerin zwischen den USA und Schottland gependelt sind?

Mit Walkman und Kopfhörer gelangt man am Ende der Ausstellung David Bowie is zu deren Höhepunkt. In einem 20 Meter hohen Sakralraum wurde ein hunderte Quadratmeter großes Triptychon errichtet. Ein Flügelaltar aus reinem Licht zeigt Liveshows des Mannes, der vorgibt, David Bowie zu sein. Darunter befindet sich auch ein bis dato nicht gezeigter Fernsehauftritt mit seinem prägenden frühen Gitarristen Mick Ronson an der Seite. Dieser Aspekt fehlt in dieser Ausstellung doch sehr: David Bowie mag ja dies und das sein - über dem Ausgang blinkt dann ein Schild, auf dem steht: David Bowie is everywhere. Aber: Wie sehr David Bowie immer auch davon profitierte, andere Musiker kreativ anzuzapfen, das fehlt in London offensichtlich.

Die Ausstellung ist dennoch opulent. Schon vor Ausstellungsbeginn musste David Bowie is um drei Wochen verlängert werden. Sie geht bis 11. August. Eine Online-Bestellung der Tickets ist dringend erforderlich. Bis Ende Mai ist sie bereits ausgebucht. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 29.3.2013)