Diese Momentaufnahme der Simulation einer stimulierten Turbulenz in einem heißen Plasma zeigt die Energiedichte. In den hellen Regionen sind Energie und Temperatur jeweils am größten.

Grafik: David Radice / Luciano Rezzolla (AEI)

Turbulenzen spielen eine große Rolle in der Dynamik von Prozessen: Man begegnet ihnen im Alltag etwa wenn man Milch in den Kaffee schüttet. Aber auch im verdünnten heißen Plasma des intergalaktischen Mediums kommen sie vor; hier spielen zusätzlich relativistische Phänomene eine Rolle. Im 19. Jahrhundert formulierten Claude Navier und George Stokes unabhängig voneinander Gleichungen, die Strömungen in Flüssigkeiten und Gasen beschreiben und auch Turbulenzen abbilden. Darauf aufbauend, entwickelte der russische Mathematiker Andrey Kolmogorov während des Zweiten Weltkriegs die bis heute gültige statistische Theorie für Turbulenzen. Eine fundamentale mathematische Theorie dafür fehlt jedoch immer noch.

Bis heute gilt dies als eines der sechs wichtigsten Probleme der Mathematik. David Radice und Luciano Rezzolla vom Potsdamer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut / AEI) haben jetzt einen entscheidenden Beitrag zur Lösung des Problems geleistet: Mit einem neuen Computerprogramm gelangen ihnen erstmals relativistische Berechnungen, die es erlauben, turbulente Prozesse in der Umgebung astrophysikalischer Phänomene zu verstehen.

Annäherung an Mathematik der Turbulenzen

"Mit unseren Berechnungen haben wir das Problem zwar nicht gelöst, aber wir zeigen, dass und wie die bisher gültige Theorie modifiziert werden muss. Damit kommen wir einer grundlegenden Theorie zur Beschreibung von Turbulenzen einen wichtigen Schritt näher", sagt Luciano Rezzolla, der am AEI die Arbeitsgruppe Numerische Relativitätstheorie leitet, über seine Arbeit.

Rezzolla und sein Kollege Radice untersuchten Turbulenzen in sehr starken Gravitationsfeldern, etwa in der Umgebung eines schwarzen Lochs oder bei extrem hohen Energien; in beiden Fällen bewegen sich Teilchen nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Die Forscher verwendeten ein virtuelles Labor, in dem sie diese Situationen unter Berücksichtigung relativistischer Effekte simulierten. Die entsprechenden nicht-linearen Differentialgleichungen der relativistischen Hydrodynamik wurden auf den Großrechnern des AEI und des Rechenzentrums in Garching gelöst.

Neue Effekte bei relativistischen Phänomenen

"Unsere Untersuchungen zeigen, dass Kolmogorovs Gesetz für relativistische Phänomene modifiziert werden muss, denn wir beobachten Abweichungen und neue Effekte", sagt Rezzolla. "Interessanterweise scheint jedoch die wichtigste Aussage des Gesetzes Gültigkeit zu behalten." Dieses sogenannte -5/3 Kolmogorov-Gesetz beschreibt, wie die Energie eines Systems von großen auf kleine Wirbel übertragen wird.

Mit ihrer Arbeit wollen die Wissenschafter auch dabei helfen, ein übergreifendes Modell zu formulieren. "Den ersten Schritt haben wir nun getan", so Luciano Rezzolla, "wir werden die Computercodes verbessern, um weitere Erkenntnisse zu einer grundlegenden Theorie der Turbulenzen zu gewinnen." (red, derStandard.at, 02.04.2013)