Es klingt wie eines jener Ereignisse, die eine Zeitenwende einläuten: Die großen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die dank eines Einfalls eines Ökonomen von Goldman Sachs Brics genannt werden, schließen sich zusammen und fordern mit der Gründung einer eigenen Entwicklungsbank die Säulen der bestehenden Weltwirtschaftsordnung, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, heraus. Ist dies der Anfang vom Ende der westlichen, vor allem amerikanischen Dominanz?

Dass die Staaten im Süden gegenüber den alten Industriestaaten immer weiter aufholen, weil sie schneller wachsen und die Weltfinanzkrise besser gemeistert haben, steht außer Frage. Aber als Gruppe sind die Brics weder so wichtig noch so stark, wie sie auf ihrem Gipfel in Südafrika derzeit tun. Von allen Problemen, mit denen sich Europa und die USA derzeit herumschlagen müssen, sind die Beschlüsse von Durban die geringsten.

Von den fünf Brics-Staaten ist nur China weiter auf einem wirtschaftlichen Erfolgskurs, und auch der zeigt angesichts der politischen Probleme der neuen Führung zunehmend Brüche. In Indien geht das Wachstum zurück, weil sich die Regierung nicht zu dringenden Reformen durchringen kann. Auch in Brasilien lässt die wirtschaftliche Dynamik nach, große Bereiche der Wirtschaft leiden unter Ineffizienz. Der politisch-ökonomische Notstand in Russland wird nur durch Öl- und Gasteinnahmen kaschiert, und die regionale Wirtschaftsmacht Südafrika wird immer mehr zum Krisenfall.

Gemeinsame Interessen haben die fünf Staaten wenig. Sie konkurrieren bei vielen Produkten, und internationale Kooperation gehört nicht zu ihren Stärken. China hat sich als Investor in Afrika einen schlechten Ruf erworben und wird gerade in Brasilien als Bedrohung empfunden. Mit Indien und Russland sind die Beziehungen eher höflich als herzlich.

Und auch die geplante Brics-Entwicklungsbank ist eine Totgeburt. Würden sie eine Freihandelszone planen, dann wäre das zumindest ein sinnvolles, wenn auch wenig realistisches Ziel. Jedoch an Geldmitteln für Infrastrukturprojekte, die die neue Bank aufbringen soll, fehlt es in diesen Staaten am allerwenigsten. Was sie alle benötigen, sind wirtschaftliche Reformen, durch die interne Märkte geöffnet, Wettbewerb gestärkt und Unternehmertum gefördert werden.

Das eine Schwellenland, das hier zuletzt die größten Fortschritte gemacht hat, sitzt interessanterweise in Durban nicht am Tisch. Mexiko hat ein erschreckendes Kriminalitätsproblem, aber seine exportorientierte Wirtschaft mit ihrer steigenden Wertschöpfung ist derzeit das Musterbeispiel für eine intelligente Reformpolitik. Der Plan des neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto, das so schädliche Telekom-Monopol des Milliardärs Carlos Slim zu brechen, ist genau jene Politik, die auch anderen Schwellenländern nützen könnte.

Der globale wirtschaftliche Wettbewerb der kommenden Jahre wird nicht von großspurigen Ankündigungen über neue internationale Institutionen entschieden, sondern von der Wirksamkeit der eigenen Wirtschaftspolitik. Hier haben die meisten Brics-Staaten schon bessere Zeiten gesehen. Wenn sie den Aufstieg der vergangenen Jahre absichern wollen, müssen sie rasch an frühere Fortschritte anschließen. Andernfalls wird der Brics-Begriff bald wieder vergessen sein. (Eric Frey, DER STANDARD, 28.3.2013)