Der Straßenstrich in Wien wird sukzessive eingeschränkt, vor allem seit dem neuen Prostitutionsgesetz, das 2011 in Kraft trat. Doch die Verdrängung in neue Stadtteile führt zu neuen Problemen.

Foto: Heribert Corn

Wien - Ein anderer Ort, das gleiche Szenario: Weil die Straßenprostitution nach heftigen Anrainerprotesten im 14. und 15. Bezirk verboten wurde, sind einige Frauen mittlerweile auf andere Plätze in der Stadt ausgewichen. Mit ihnen wanderte auch der Widerstand der Bürger in die neuen Bereiche.

Besonders brodelt es derzeit im 23. Bezirk, wo sich seit Oktober zwischen vier und zehn Frauen eingefunden haben. Straßenprostitution ist zwar seit November 2011 im Wohngebiet verboten, weil ein Abschnitt auf der Brunner Straße jedoch als Industriegebiet gewidmet ist, dürfen sie hier ganz legal anschaffen gehen. "Und zwar rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr", erklärt der rote Bezirksvorsteher Gerald Bischof.

Rund 40 Beschwerden in fünf Monaten

Jetzt ist er es, der den Bürgerzorn abfangen muss. Rund 40 Beschwerden sind in fünf Monaten bei ihm eingegangen, das sei verhältnismäßig viel. "Aber mehr, als mich gemeinsam mit den Anrainern zu ärgern und zu wundern, kann ich nicht machen. Es gibt keine rechtliche Möglichkeit, das zu unterbinden." Einzig die Polizei könne die Uhrzeit beschränken, wie das im Sommer 2012 nach Anrainerbeschwerden beim Prater geschehen ist. Seither darf dort nur mehr nachts angeschafft werden. Damit ist es vermutlich ab Herbst ganz vorbei, wenn die Wirtschaftsuni und ein Wohnhaus gebaut werden.

Auch Bewohner des Stuwerviertels im 2. Bezirk beschweren sich bei den Bezirkspolitikern, weil viele Frauen weiterhin hier anschaffen gehen.

Wo sind die Prostituierten?

Aktuell sind in Wien rund 3300 Prostituierte polizeilich gemeldet. Da seit November 2012 erst rund 300 Bordelle genehmigt wurden oder auf ihre Lizenz warten, stellt sich die Frage, wo der Großteil der Prostituierten arbeitet. Denn die Bordelle bieten im Durchschnitt fünf Zimmer, geschätzte hundert bis 150 Frauen gehen auf der Straße ihrem Geschäft nach.

"Die meisten arbeiten jetzt illegal in der Wohnung", meint Christian Knappik von der Plattform sexworker.at. Der Zustand werde zunehmend unhaltbar und werde sich mit steigenden Temperaturen verschlimmern.

Positiver Trend: Eigene Studios

Sozialsprecherin Birgit Hebein (Grüne) weist das zurück: Auch früher habe man nicht gewusst, wo die meisten Prostituierten arbeiten, es fehle an validen Daten. "Aber es stimmt, dass es zu wenig Plätze für Straßenprostitution gibt." Positiv sei der Trend, dass mehr Frauen versuchen würden, eigene Studios zu eröffnen.

Das wäre eine Entwicklung nach dem Geschmack von Bischof: "Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann ein generelles Verbot für den Straßenstrich in Wien. Die Rahmenbedingungen sind für alle Beteiligten unzumutbar", sagt der Bezirksvorsteher.

"Der nächste Frühling kommt bestimmt", sagt Hebein. "Und damit werden auch die Probleme wieder sichtbarer." (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 27.3.2013)