Man könnte natürlich sagen, dass jeder selbst schuld ist, der aufs Land zieht. Wer's bezüglich Kinderbetreuung, Schulbesuch etc. unkompliziert will, soll in der Stadt bleiben, am besten in Wien. Alle anderen mögen sich nicht aufregen, sie haben sich ja freiwillig in die Pampa gesetzt. Doch das wäre schlicht argumentiert und geht am Kernproblem vorbei: Warum pflegt ein kleines Land so hingebungsvoll seine regionalen Unterschiede, die Menschen in ihrem täglichen Leben sekkieren?

Warum etwa schließen steirische Kindergärten 56 Tage im Jahr, die in Wien aber nur 3,9 Tage? Steirische Eltern müssen wohl nicht weniger arbeiten als Wiener. Warum müssen Tagesmütter in Niederösterreich qualifizierter sein als ihre Kolleginnen in Vorarlberg? Niederösterreichische Kinder sind wohl kaum schwieriger als jene im Ländle.

Skurril bis schikanös liest sich die Liste föderalistischer Besonderheiten. Da wird gerade so getan, als gälte es, regionale Kulturpreziosen oder kulinarische Schmankerl vor der Gleichmacherei zu retten. In Wahrheit geht es um politische Eitelkeiten, Rechthaberei und - auch - Bigotterie, die Frauen noch immer am liebsten zu Hause bei den Kindern sieht. Mit der Realität der Österreicher hat das wenig zu tun - umso mehr mit sündteurer Bürokratie, die offenbar krampfhaft am Leben erhalten werden muss. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 26.3.2013)