Eine kleine Gruppe von Menschen, die in Zypern niemand gewählt hat, hat entschieden, dass über Nacht alle Banken in Zypern geschlossen werden, dass es kein Online-Banking mehr gibt, den Banken alle Transaktionen untersagt werden.

Die Gegenwart: Finanz-Faustrecht

Eine komplexe Wirtschaft ist ohne Geld schwer denkbar. Ein funktionierender Zahlungsverkehr ist für unsere gegenwärtige Wirtschaftsordnung von fundamentaler Wichtigkeit. Wer heute Volkswirtschaften schaden will, hat es nicht mehr nötig, die Produktionsbasis anzugreifen. Nein, die Geschichte hat uns wiederholt gezeigt, dass es ausreicht, für eine Zeit lang den Zahlungsverkehr zum Erliegen zu bringen.

Ursprünglich verstand man unter dem Begriff Ökonomie "die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen zur planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs". Doch der Begriff hat offensichtlich einen Bedeutungswandel erfahren, der Begriff wurde pervertiert: Meist meint er heute das, was man im alten Griechenland unter "Chrematistik" (der widernatürlichen Erwerbskunst, ihr einziges Ziel ist die Anhäufung von Geld) verstanden hat.

Wenn die Episode Zypern etwas überdeutlich gezeigt hat, dann das: Geld als Mittel der Ökonomie ist heute völlig sekundär geworden, primär ist Geld heute Mittel zu Machtausübung. All die - angeblich alternativlosen - Maßnahmen werden heute in Nacht-und-Nebel-Aktionen unter dem Vorwand der ökonomischen "Logik" (korrekt: der chrematistischen "Logik") durchgesetzt, während sie tatsächlich nur ein primitiver Mechanismus sind, um die Macht der herrschenden Finanzdiktatur zu zementieren.

Das Beispiel Zypern hat uns vor Augen geführt, dass eine Gruppe von Menschen, die von den Betroffenen nicht demokratisch legitimiert wurde, einfach über deren Geldversorgung bestimmen kann. Wollen wir uns wirklich selbst belügen und uns einreden, dass dies bestimmt ein absolut einzigartiger Fall war?

Aufklärung statt Verschleierung

Wenn selbst auf Wirtschaftsuniversitäten noch ein Mickymaus-Modell der Ökonomie (© Bofinger) gelehrt wird, darf es nicht verwundern, dass finanzwirtschaftliche Zusammenhänge in der Bevölkerung bestenfalls schleierhaft erkannt werden. Doch der intuitive Argwohn trifft den Nagel auf den Kopf. Darum ist wichtig, dass dem berechtigten Misstrauen und dem Unmut der Menschen mit verständlicher Aufklärung begegnet wird. Andernfalls sind wir zur Wiederholung der Geschichte verdammt.

Warum überlassen wir den Zahlungsverkehr privaten Banken, insbesondere wo diese - inzwischen selbst für Fachleute - äußerst undurchsichtige und wie immer öfter nachträglich festgestellt wird, kriminelle Geschäfte betreiben? Um es plastisch zu machen: Ist es wirklich vernünftig, einem notorischen Spieler die Erledigung von Zahlungaufträgen zu überlassen? Es ist doch absurd, seine Geldguthaben privaten Banken zu übergeben, um sich diese dann - Zypern lässt grüßen! - völlig willkürlich vorenthalten lassen zu müssen.

Warum sollten Menschen mit klarem Verstand das wollen? Etwa, um durch Sparzinsen unter der Inflationsrate ohnehin zu verlieren? (Wobei diese Milchmädchenrechnung die Umverteilungverluste durch Zinsen noch völlig ausblendet.) Wie schädlich es ist, lebenswichtige Einrichtungen privaten, profitorientierten Unternehmen zu überlassen, begriffen viele Menschen bereits anhand der Wasser-Privatisierung.

Dort, wo wieder eine demokratische, am Gemeinwohl orientierte Wasserversorgung erkämpft wurde, haben die Menschen erfahren, welche Qualitätsverbesserung dies bedeutet. Geld ist eine soziale Errungenschaft und damit ein Gemeingut. Die privatisierte, profitorientierte Geldversorgung und -verwaltung führt zu Kürzungen bei der Lebensqualität: bei Bildung, Gesundheit, Sozialem und dem Umweltschutz. Wozu? Um private Banken und die Umverteilung nach oben zu retten. Es liegt an uns, das zu ändern. Sicher ist: Demokratie ohne demokratische Geldordnung ist eine Farce. (Reinhold Mannsberger, Leserkommentar, derStandard.at, 25.3.2013)