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Allergische Beschwerden verschwinden angeblich mit Hilfe der Bioresonanz-Therapie.

Mein Sohn leidet an einer schweren Pollenallergie. Um ihm sanft über die besonders belastende Frühlingszeit zu helfen, suchte ich im vergangenen Jahr eine Bioresonanz-Praktikerin auf. Sie empfing uns mit einem Gerät, das mich an Unterhaltungselektronik aus den 1970ern erinnerte. Ein schmuckloser brauner Kasten, an dessen Vorderseite ein paar Drehknöpfe angebracht waren. Damit verbunden zwei Kabel, an deren Enden zwei längliche Elektroden befestigt waren, die mein Sohn in die Hände nehmen musste.

Die Elektroden messen elektromagnetische Körperschwingungen und übertragen sie an das Gerät. Der Apparat vergleicht das Körpersignal mit einem festgelegten Sollwert und übermittelt korrigierende Signale zurück an den Körper. Das krankhafte Signal wird sozusagen im Gerät zu einer guten Schwingung umgepolt und über die zweite Elektrode zurück zum Patienten geleitet. So werden nach der Bioresonanz-Lehre pathologische Schwingungen nach und nach aufgelöst und Krankheiten geheilt.

Blockierte Energie

Atemwegserkrankungen, chronische Schmerzzustände, Schlafstörungen, Rheuma, Neurodermitis oder Allergien stehen auf der Einsatzliste der Bioresonanz.

Um eine Bioresonanz-Therapie durchführen zu können, braucht es keine medizinische Ausbildung, sondern lediglich ein Bioresonanzgerät. Der Methode liegt der Glaube an die "vitale Lebensenergie", die alle Lebewesen durchströmt, zugrunde. Kurz gefasst treten laut bioenergetischer Theorie Krankheiten auf, wenn seelische oder körperliche Belastungen den energetischen Fluss blockieren. Die Bioresonanz ist ein Therapieansatz, um diese Blockaden zu lösen.

Bei der Feststellung von Allergien ist der gemessene Hautwiderstand der entscheidende Faktor. Unsere Therapeutin nahm in kleine Glasröhrchen gefüllte Pollen, Tierhaare und Staubknäuel zu Hilfe. Diese ließ sie über die Arme meines Sohnes gleiten. Das Bioresonanz-Gerät stellte bei Birke, Buche und Gräsern einen Widerstand und somit eine Allergie fest. Um ihn gegen Allergieschübe zu wappnen, empfahl sie uns mehrmalige Bioresonanz-Sitzungen und homöopathische Arzneien. Die Geräte nutzen auch die positiven Schwingungen homöopathischer Heilmittel oder von Bach-Blüten-Tropfen, um sie über die Elektroden in den Körper des Patienten einzuleiten.

Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen

"Es existieren genügend wissenschaftlich sauber durchgeführte Untersuchungen bezüglich Diagnose- und Therapiemöglichkeiten mittels der Bioresonanzmethode", erklärt der Wiener Mediziner Theodor Much. "Sie alle zeigen klar, dass zum Beispiel eine zuverlässige Allergiediagnose nicht möglich ist und keine klinische Wirkung jenseits der Placebowirkung gegeben ist."  Much lehnt die Anwendung der Bioresonanz wegen der Gefahr von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen klar ab.

Vorläufer der Bioresonanz ist die Elektroakupunktur nach Voll (EAV), entwickelt und angewandt von dem deutschen Arzt Reinhold Voll. In den 1950er Jahren untersuchte Voll die Messbarkeit "energetischer Störungen" im menschlichen Körper und nutzte dazu die elektrische Stimulierung von Akupunkturpunkten nach der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM). Seine Annahme war, dass ähnlich wie bei einem Lügendetektor der gemessene Hautwiderstand Auskunft über Erkrankungen liefern könnte.

Volls Schüler Franz Morell schließlich entwickelte 1977 gemeinsam mit Erich Rasche die Bioresonanz-Therapie, nach ihren Erfindern auch Mora-Therapie genannt. Außerdem erweitert die Bioresonanz auch unter den Bezeichnungen Bicom-, Multicom-, Multiresonanz- oder Kippschwingungstherapie das alternativmedizinische Spektrum.

Morell und Rasche gingen von patienteneigenen Schwingungen aus, die elektromagnetischer Natur sind. Die Existenz von krankhaften oder normalen elektromagnetischen Körperschwingungn ist physikalisch bis heute nicht erfassbar. Die Bioresonanz fußt also nicht auf dem Boden der Naturwissenschaft und entbehrt jeder medizinischen Grundlage. Auch die Verfechter der Bioenergetik konnten noch keinen evidenzbasierten wissenschaftlichen Nachweis über die Heilkräfte ihrer Methode erbringen.

Unbewiesene Wirkung

"Elektroakupunktur nach Voll und ähnliche Verfahren sind eine Mischung aus High Tech, kombiniert mit einer immensen Tradition von 3000 Jahren chinesischer Medizin. Für den Patienten ist diese Verbindung sehr beeindruckend. An der Methode ist überhaupt nichts dran, das ist mehrmals überprüft worden", sagt Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin an der Universität Exeter. Ernst hat sich auf die Erforschung von medizinischen Studien zu alternativen Behandlungen spezialisiert und ist in jahrzehntelanger Arbeit zu einer Gewissheit gekommen: "Ich habe bisher noch nicht eine einzige alternative Therapie gefunden, bei der es schlagende Beweise gibt, dass sie mehr tun kann als Symptome zu mildern."

Neben diesen eindeutigen gesundheitlichen Gefahrenquellen und der unbewiesenen Wirkung trägt auch der finanzielle Aspekt zum Nachteil der Bioresonanz-Therapie bei. Meistens veranschlagen die Therapeuten mehrere Sitzungen, um den Patienten die bösen Schwingungen auszutreiben. Pro Sitzung ist mit etwa 80 Euro zu rechnen.

Nach einer kurzen Phase der Besserung, haben wir unseren Sohn übrigens wieder mit Antihistaminen vor Allergiebeschwerden geschützt. (Gabriela Poller-Hartig, derStandard.at, 5.4.2013)