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Abend der Metamorphosen: Kundry (Michaela Schuster) soll hier die Arbeit von Klingsor besorgen und Parsifal (Johan Botha) mit dem Speer bedrängen.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Regisseur Michael Schulz schafft es kaum, seinen interessanten Ansatz dynamisch umzusetzen.

Salzburg - Eigentlich wäre die Methode dieser - mit düsteren Buhakkorden überzogenen - Inszenierung befähigt, Theaterkräfte freizusetzen: Der in Parsifal verhandelte Konflikt zwischen Begehren und der Behauptung, Entsagung führe zum Genuss der Erlösung, wird mit verdoppelten Figuren als nie endender Kampf erzählt. So ist Amfortas, der an der Speerwunde leidende, auch Klingsor - jener also, der Amfortas die Wunde zugefügt hat.

Und auch als todessüchtiger Amfortas schleppt dieses Jekyll-&-Hyde-Wesen seine Obsessionen noch in Form zweier fast nackter Tanzkörper mit sich. Um die Zerrissenheit dieser gelungenen Figur extra zu verdeutlichen, pflanzt man diesem Verwundeten auch den Ekel vor der Gralsenthüllung ein wie auch das neidische Festkrallen an der Gralstruhe. Als Klingsor wiederum hat der tadellos wortdeutliche und kultiviert tönende Wolfgang Koch zudem einen bösen Mann (Rüdiger Frank) als Alter Ego zur Seite. Und Parsifal wird mit ein paar unschuldigen Jüngern in Klingsors Reich gesandt.

Viel zu ornamental

Diese Vermehrung der Figuren böte also Gelegenheit, statischen Bilderzauber und gleichzeitig szenische Beweglichkeit zu erzeugen. Vieles an den Regungen und Bewegungen bleibt jedoch flache Ornamentik in einem Bühnenambiente (Alexander Polzin), welches dem Ewigen des Entsagungskampfes durch Gleichzeitigkeit vieler Epochen Form verleiht. Da sind im 1. Akt riesige Glasröhren, in denen der getötete Schwan als weißer Rauch aufsteigt oder Leidensfratzen wie in einem Reagenzglas bis in alle Ewigkeit schwimmen. Da ist im 2. Akt ein Skulpturenpark, dessen weiße Objekte auf Vergangenes und ihre an der Decke hängenden Spiegelbilder in ihrer Farblichkeit auf das Jetzt verweisen.

Die Metamorphose

Hier, im 2. Akt, findet auch eine zusätzliche Metamorphose Kundrys (tadellos Michaela Schuster) statt: Sie ist die Verführerin, die Parsifal (strahlende Höhen, schauspielerisch ein Glaubwürdigkeitsproblem auf Beinen: Johan Botha) zurückweist. Sie ist aber auch jene, die mit Klingsors Speer Parsifal bedroht, aber dann Klingsors böses Alter Ego erstickt.

Metamorphosen auch im dritten Akt: Da stirbt der bis dato fast dauerpräsente Gekreuzigte, um in unversehrter Form Auferstehung zu feiern und die nicht unsinnliche Nähe zu Kundry zu suchen, die indes auch mit Parsifal zärtlich Kontakt pflegt. Bis zur finalen Gralsenthüllung. Diese wird zur abermaligen Kreuzigung Christi, dem der Gral - hier eine Art Schal - um die Augen gebunden wird. Schließlich wird auch er zur Skulptur, zu der Kundry betet. Ihre Erlösung wird zum Altarbild.

Figurenvervielfältigung, Metamorphose, kultur- und religionshistorischer Zitatenrausch, der ewige Kreislauf von Vergehen und Entstehen: Es ist viel und subtil gedacht worden; nicht praktisch genug jedoch, um neben einem bilderstarken, ein auch szenisch dichtes Konzept zu entwickeln.

Das kann man Dirigent Christian Thielemann nicht vorwerfen: Mit Theaterreflexen ausgestattet, entgeht er der Versuchung, Musik nur als Opium fürs Ohr umzusetzen: Im Vorspiel lässt er die Linien voll auskosten, um im 3. Akt zuerst knapp-pointiert Akzente zu setzen. Und türmt er die orchestralen und vokalen Chorkräfte im Finale zu gruseligen Klangfluten, so animierte er im 1. Akt etwa die Vokalmassen zu intimer Aussage, während die Staatskapelle Dresden ihren satten Streichersound auch im Dramatischen pointiert ausspielen kann. Und wiewohl das Blech extrovertiert wirkt, versteht es Thielemann, Orchesterfarben subtil zu mischen, bündelt sie im Vorspiel zu zart gleißenden Flächen.

Zudem alles wortdeutlich: Fast immer kommt die Qualität der Sänger zur Geltung, wobei hier Stephen Milling (Gurnemanz) als glanzvolle Fusion aller Vokalqualitäten besondere Erwähnung finden muss. Auch leisten die - links und rechts vom Publikum postierten - Chöre der Bayerischen und Sächsischen Staatsoper so intensive wie subtile doppelchörige Arbeit - optisch schließlich an den untoten Nosferatu erinnernd.

Die Transformation der Osterfestspiele von einer Heimstätte der Berliner Philharmoniker (sie zogen nach Baden-Baden) zu einer der Staatskapelle ist also geglückt. Somit ist zu erwarten, dass 2014, wenn Strauss' Arabella (mit Renée Fleming) szenisch auftaucht, zumindest musikalisch wieder Besonderes erstrahlt. Thielemann kann ja auch Strauss. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 25.3.2013)