Wien - Früher kaufte Michael Lebensmittel auf dem Markt ein. Als sich dort aber immer mehr Händler die Stände kleiner Bauern unter den Nagel rissen, suchte der junge Mann andere Möglichkeiten zum nachhaltigen Einkaufen - und wurde in einem Lageraum im 2. Bezirk, dem Hauptquartier der Foodcoop Möhrengasse, fündig. Dort haben sich rund 50 Menschen, die wie Michael beim Bauern einkaufen wollen, zu einer Lebensmittelkooperative zusammengeschlossen.
Vorbestellte Waren
In den Regalen an den Wänden des kleinen Raums reihen sich grüne Saftflaschen an Glasbehälter mit Maisgrieß, weißen Bohnen und Linsen. Auf einem Tisch liegen duftende Brotlaibe, rundherum stapeln sich Plastikkisten voller Karotten, Pastinaken und Rüben. Mit einem Zettel in der Hand sucht Michael all jene Waren heraus, die er bestellt hat, und steckt sie in seinen Rucksack. "Ich beziehe Lebensmittel lieber auf diese Art, weil ich Supermärkte problematisch finde", sagt er.
Ausstieg aus dem System
Viele der anderen Foodcoop-Mitglieder, die an diesem Abend ihre Lebensmittel aus dem Lager abholen, teilen seine Ansicht. "Das hier ist eine sehr einfache Möglichkeit, aus einem gewissen System auszusteigen", erklärt Chri, "hier weiß ich, was in den Produkten drinnen ist und wie sie hergestellt werden." Denn die Waren in den Regalen bezieht die Einkaufsgemeinschaft direkt von Bauern.
Wöchentlich geben die Mitglieder bekannt, welche Lebensmittel sie brauchen - bestellt wird gesammelt. Abgeholt werden die Waren mit dem Lastenrad am Markt, einige Bauern liefern auch direkt ins Lager. Von dort können sie die Mitglieder jederzeit mitnehmen.
Ernährungssouveränität in Wien
In Wien sind in den vergangenen Jahren um die acht Foodcoops entstanden, die erste 2007 unter dem Namen Bioparadeis. Zwei weitere Gruppen formieren sich gerade in Meidling und Brigittenau. Auch in Graz, St. Andrä Wördern und Schwaz haben sich Initiativen gebildet. Ernährungssouveränität ist das Schlagwort, das sich alle Gemeinschaften auf die Fahnen geheftet haben. Ihre Mitglieder wollen selbst entscheiden, wie ihre Nahrung hergestellt wird. Saisonal, regional, ökologisch, sozial gerecht und transparent produziert sind für sie wichtige Kriterien.
Der große Bioschmäh
"Und wie funktioniert das mit dem Bezahlen jetzt genau?", will David von Chri wissen. Er ist heute zum ersten Mal ins Lager gekommen, für einen Mitgliedsbeitrag zwischen fünf und zehn Euro pro Monat wird er hier künftig einkaufen. Die Preise sind ausgeschildert, den entsprechenden Betrag stecken die Mitglieder in ein Gurkenglas. "Supermärkte werfen so viel weg, was andere brauchen könnten", sagt David, "mit der Foodcoop kann ich diese Zwischenstelle ausschalten."
Damit macht er aus Clemens G. Arvays Sicht genau das Richtige. Biolandwirte und konventionelle Betriebe müssen so produzieren, dass für die Konzerne, an die sie liefern, der maximale Profit herausschaue, schreibt der Agrarbiologe und Autor von "Der große Bioschmäh" in seinem neuen Bestseller "Friss oder stirb". Die Folge: Bauernsterben, Überschussproduktion und Bioprodukte, die nicht viel nachhaltiger sind als gewöhnliche.
Dierktvermarktung ohne Zwischenhandel
Auf dezentrale Lebensmittelproduktion umzusteigen löst Arvay zufolge dieses Problem. Erreicht werden könne dies, wenn Konsumenten Alternativen zu Supermärkten nutzen. "Das Potenzial von Foodcoops ist groß, weil man selbst entscheidet, wo man einkauft und die Bauern ohne Zwischenhandel direkt vermarkten können."
Dieser Idee kann auch Steffi weit mehr abgewinnen, als Geld bei Hofer, Billa und Co zu lassen. Sie ist wie David neu in der Foodcoop. "Ich möchte nicht mehr in den Supermarkt", sagt sie, "das hier ist einfach ehrlicher." (Stefanie Rachbauer, DER STANDARD, 25.3.2013)