In der laufenden, mit großer Empörung betriebenen Debatte über die Rationierung von modernen Keramik-Hüftprothesen in oberösterreichischen Spitälern spielen alle Seiten mit gezinkten Karten.

 Gesundheitsminister Alois Stöger verspricht Unmögliches, wenn er allen Patienten die "volle Leistung" garantiert. Und die Ärztekammer drückt sich ebenso um die Tatsachen, wenn sie so tut, als wäre nur ein von der Verwaltung und der Politik aufgezwungener Kostendrück dafür verantwortlich, dass Patienten nicht immer das allerbeste Präparat erhielten.

Ein öffentlich finanziertes Gesundheitssystem kann gar nicht jedem Patienten immer das Beste versprechen und bezahlen. Das liegt daran, dass der Fortschritt in der Medizin rasant vor sich geht und sehr, sehr teuer ist. Der "State of the Art" vom vergangenen Jahr ist heute oft nur noch die zweite Wahl, weil es inzwischen ein noch moderneres Medikament, ein noch leistungsstärkeres Gerät oder eine noch effizientere Methode gibt.

Nicht alles, was neu ist, ist tatsächlich immer besser. Aber im Durchschnitt kann man davon ausgehen, dass sich die Medizin vorwärts und nicht rückwärts entwickelt.

Gerade das Neueste aber ist meist besonders teuer, weil dabei die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten abgegolten werden müssen. Wenn es zum Prinzip erhoben wird, dass alle Kassenpatienten einen automatischen Anspruch auf die letzten Innovationen haben, dann wird das Gesundheitswesen rasch unfinanzierbar.

Wenn Spitäler und Kassen den Kostenanstieg bremsen wollen, dann müssen sie in vielen Fällen dem Patienten das Produkt oder die Methode anbieten, die nicht mehr als die allerbeste gilt, aber vor kurzem noch die beste war.

Die letzte Innovation muss jenen Fällen vorbehalten werden, wo die etwas ältere Version deutlich weniger Heilungschancen bietet - oder dort, wo Patienten bereit sind, aus eigener Tasche (oder mithilfe einer teuren Zusatzversicherung) die nicht zwingend notwendige Luxusversion zu bezahlen.

In manchen Fällen ist eine umfassende wirtschaftliche Rechnung notwendig: Wenn Hüftprothesen öfter ausgetauscht werden müssen, dann kostet das am Ende mehr. Das gehört vermieden.

Aber für 75-jährige Patientinnen dürfte eine Prothese, die 20 Jahre hält, ausreichend sein. Sie braucht nicht die noch länger haltbare, teurere Keramik-Version. Und ein Krankenhaus hat das Recht, darauf zu drängen, dass dies so geschieht.

Was ich hier beschreibe, ist Alltag in der Medizin. Und die meisten Patienten fahren nicht schlecht damit.

Die Zahl der modernsten Produkte prozentmäßig zu beschränken, wie es offenbar in Oberösterreichs Spitälern geschah, zäumt das Pferd von der falschen Seite auf. Denn die richtige Behandlung hängt vom Einzelfall und nicht von der Statistik ab. Aber eine Schätzung, dass man etwa die teuerste Version nur für einen kleinen Anteil der Patienten benötigt, ist an sich noch nichts Böses.

So zu tun, als ob Kosten keine Rolle spielen dürfen, ist es hingegen schon. Denn diese Verlogenheit führt dazu, dass am Ende die Mittel schlecht eingesetzt werden.

Wenn man in den letzten Wochen des Lebens eines sterbenskranken Patienten nicht sparen darf, selbst wenn die neuesten Therapien Unsummen verschlingen, ohne dass sie viel bringen, fehlt das Geld anderswo - etwa in der Vorsorgemedizin oder in der Versorgung von Kindern, die in unserem System allzu oft zu kurz kommen.

Kosten und Wirtschaftlichkeit müssen bei jeder medizinischen Entscheidung mit bedacht werden. Das ist der einzige Weg, der zu einem sozial gerechten Gesundheitssystem führt. So zu tun, als würde jeder alles bekommen und niemals gespart werden müssten, führt am Ende zu viel größeren Ungerechtigkeiten - spätestens wenn dem System das Geld ausgeht. (Eric Frey, derStandard.at, 23.3.2013)