Yachten von Oligarchen sieht man auf Zypern so einige.

Cartoon: Oliver Schopf

Alischer Usmanow liebt die Öffentlichkeit nicht besonders. Interviews gibt der reichste Mann Russlands selten, auch sonst bevorzugt er es, im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Und so kennen den Stahlbaron im Westen trotz dessen Engagements beim Fußballklub Arsenal und des Börsengangs seiner Telekomfirma Megafon im vergangenen Herbst nur wenige. Geld liebt eben die Ruhe - und so ist es auch kein Wunder, dass Usmanow seinen 50-Prozent-Anteil am Stahlkonzern Metalloinvest über die USM Steel & Mining Group in der edlen, aber für Moskauer Verhältnisse verträumten Hafenstadt Limassol kontrolliert.

Auch sein Partner, der Duma-Abgeordnete Andrej Skotsch, lässt seinen 30-Prozent-Anteil über das Zypern-Offshore Seropaem Holdings verwalten. Dass Russlands Präsident Wladimir Putin den Staatsbeamten gerade eine patriotische Erziehung verordnet und sie dazu verdonnert hat, ihre Auslandsaktiva aufzugeben, dürfte für Skotsch kein Problem sein. Offiziell hat er beim Einstieg in die Politik die Geschäfte an seinen 80-jährigen Vater überschrieben.

Rivalen als Nachbarn

Auf der Insel registrierte Firmen kontrollieren den Löwenanteil der russischen Metall- und Bergbauindustrie. Das Kombinat Nowolipezk von Milliardär Wladimir Lissin, dem mit 16 Milliarden US-Dollar zweitreichsten Russen, gehört zu 85,54 Prozent der Fletcher Group Holdings Ltd auf Zypern. Das bekannte Metallurgiekombinat Magnitogorsk wird von Mintha Holding (42,44 Prozent) und Fulnek Enterprises (43,11 Prozent) kontrolliert. Hinter den beiden Vehikeln steht Lissins Kontrahent Viktor Raschnikow.

Auch Milliardär Alexej Mordaschow kontrolliert einen Teil seiner Aktien (11,5 Prozent) an Severstal über Frontdeal Ltd ist in Nikosia, wobei er Frontdeal selbst über eine weitere Offshore-Gesellschaft auf den British Virgin Islands besitzt.

Selbst Roman Abramowitsch schätzt für seine Geschäfte die Abgeschiedenheit der Mittelmeerinsel. Während seine 162 Meter lange Superyacht "Eclipse" derzeit im Hafen von New York schaukelt und er selbst Dauergast bei den Heimspielen von Chelsea London ist, liegt die Aktienmehrheit seines Stahlkonzerns Evraz bei der Firma Lanebrook Ltd, die auf Zypern registriert ist. Lanebrook selbst kontrolliert Abramowitsch übrigens über seine in London angesiedelte Investmentgesellschaft Millhouse Capital.

Abramowitschs neue Partner bei Norilsk Nickel, Wladimir Potanin und Oleg Deripaska, haben jahrelang erbittert um die Kontrolle beim Buntmetallkonzern gestritten. Doch ihre Anteile an Norilsk Nickel verwalten beide einträchtig von Zypern aus. Deripaska hat ohnehin eine Schwäche für das Steuerspar-Modell Offshores. Seinen Konzern Rusal hat er auf der Insel Jersey registrieren lassen. Seine Beteiligung an der Strabag hält der Aluminiumprinz ebenso wie seine Holding Basic Element über die in Limassol sitzende Rasperia Trading.

Auf der Insel sind übrigens auch die Firmen zweier Oligarchen zu Hause, denen beste Beziehungen zu Präsident Putin nachgesagt werden: Gennadi Timtschenko und Arkadi Rotenberg. Timtschenkos Gunvor ist der viertgrößte Ölhändler weltweit. Das Hauptgeschäft macht der Konzern natürlich in Russland. Seinen Hauptsitz hat er allerdings in Amsterdam, und registriert ist Gunvor in Nikosia.

Putins Ex-Judo-Partner Rotenberg hingegen ist vor allem im Baugewerbe stark. Bei den Olympischen Spielen in Sotschi hat er Aufträge über rund 5,5 Milliarden Euro eingeheimst. Mit einer Autobahn zwischen Moskau und St. Petersburg will er weitere Milliarden kassieren. Die Holdinggesellschaft dafür steht schon - natürlich mit Adressen auf Zypern und den Britischen Jungferninseln.

Nimmt man noch Bermuda dazu, wäre die Liste komplett: nämlich die der Länder, aus denen das meiste Kapital nach Russland fließt. Laut russischer Notenbank stammen 180 Milliarden Dollar oder mehr als ein Drittel der ausländischen Direktinvestitionen aus Zypern. Bermuda und Virgin Islands folgen abgeschlagen dahinter mit gut 50 Milliarden Dollar, "investieren" damit aber jeweils mehr als doppelt so viel in Russland wie deutsche Firmen.

Die Daten decken sich erstaunlich exakt mit Zahlen über den Kapitalexport aus Russland. Die Oligarchen schaffen also ihre Milliarden in Steueroasen und investieren dieses wieder in ihrer Heimat. Sie erwarten sich dadurch nicht nur mehr Schutz vor dem Zugriff des Kreml, sondern dürften laut diversen Untersuchungen auch von Begünstigungen profitieren, die nur für Auslandsinvestitionen gewährt werden.

Milliarden nach Österreich

Viele Rätsel gibt auch die Funktion Österreichs auf, wohin stattliche Beträge aus Russland fließen. Allein im ersten Halbjahr meldete das staatliche Statistikamt Rosstat Investitionen von mehr als zehn Milliarden Dollar in Österreich. Noch beliebter für russische Anlagen wäre demnach nur die Schweiz, allerdings wird die Seriosität von Rosstal oft in Zweifel gezogen. Als möglicher Grund für die Anziehungskraft der beiden Länder werden von Experten ebenfalls günstige steuerliche Bestimmungen genannt, zudem der im Vergleich zu reinen Steueroasen bessere Ruf.

Manche Oligarchen kombinieren gleich alle Vorteile miteinander. Der ukrainische Oligarch Dmytro Firtash schleuste seine Gewinne aus dem Gashandel vom Schweizer Steuerparadies Zug über die Wiener Holding Centragas auf Briefkästen in Nikosia. (André Ballin, Andreas Schnauder , DER STANDARD, 23./24.3.2013)