Es war einmal, da schrieb ein nachdenklicher Mensch einen Artikel mit dem Titel "IT doesn't matter". Dem Artikel waren turbulente Jahre der technologischen Entwicklung vorausgegangen. Zentrale Bereiche der Wirtschaft wurden durch leistungsfähige Wunderwaffen des Informationszeitalters vollautomatisiert und über die ganze Welt miteinander vernetzt. IT-Beraterfirmen schossen aus dem Boden, Bäcker mit Stauballergie ließen sich zu System-Administratoren umschulen, "Office-Kenntnisse" waren der Geheimtipp beim Bewerbungstraining.

Der Titel des Artikels war provokant gewählt, unterstrich jedoch allenfalls das Ende einer Ära. Denn die schlichte Fähigkeit, die Mittel der IT zu nutzen, war kein Wettbewerbsvorteil mehr, sondern ein fachübergreifender Standard. IT war plötzlich Infrastruktur und nichts Besonderes mehr. Routine, nicht Alleinstellungsmerkmal. Notwendiges Übel, keine Superkraft. Wo war nur die Zeit geblieben?

Die Netz-Territorien sind fein säuberlich abgesteckt

Fast Forward. Es ist das Jahr 2013 und auch in diesem Jahr wurde das recht bekannte texanische Semi-Techie-Event unter dem Dach desSXSW-Festivals zelebriert. Hier hallte vor ein paar Jahren der Startschuss für den Aufstieg vom Kurznachrichtendienst Twitter zur globalen Netzmacht durch die Hallen. Hier wurden Weltstars der Netz-Gadgeteria geboren. Nur dieses Jahr war irgendetwas anders.

Vielleicht lag es an den 7$-Wucher-Sandwiches in den unappetitlichen Plastikboxen oder am Gratissüßkram, der als Dankeschön für die Installation der x-ten "Plan deinen Tag"-App verteilt wurde. Traurig aber wahr: Aus dem Hipster-Event war eine trübe Marketingsuppe geworden. Wie üblich bei übersättigten Märkten: Freiwillig möchte niemand noch mehr Kram nutzen, daher muss der nun teuer verkauft werden. So eine Überraschung.

Ich mag meine Spielzeuge: Meine Gadgets, die mich mit Freunden, Kollegen und der ganzen Welt vernetzen. Alle leuchtenden Fantasien einer bunten Star-Trek-Welt komprimiert in meinen Händen. Doch mein digitales Schweizer Taschenmesser braucht nicht noch einen Korkenzieher. Wenn überhaupt, dann vielleicht einen, der keinen Zugriff auf mein Adressbuch haben will. So überfordert ich mit noch mehr Spielereien wäre, so sehr scheinen sich die Big Player der Netzwelt allmählich zu langweilen. Google sucht, Soundcloud schallt, YouTube sendet, Facebook zeitleistet, Twitter tweeted, Instagram nostalgiert.

Bündnisse hin zum Monopol

Wenn nicht gerade gegeneinander in die Schlacht gezogen wird, kommt es hier und da zu Bündnissen. Twitter mit Soundcloud, Facebook mit Instagram, YouTube schon seit Ewigkeiten mit Google. Am Ende wird wohl die übliche Dualität erhalten bleiben, die wir schon von AMD und Intel oder Microsoft und Apple kennen. Ein paar Monopolisten werden es zum Schluss sein, die sich um die Infrastruktur unserer schönen Netzwelt kümmern – und das wäre keineswegs verkehrt.

Die deutsche Netz-Szene kommt nicht hinterherWährend wir noch ausknobeln, wer in Zukunft unsere Urlaubsbilder durch den Polaroid-Filter schleifen soll, lehnt sich Warren Buffet höchstwahrscheinlich gerade entspannt zurück und instruiert seine Nachfolger, den endgültigen Gewinner der Netzinfrastrukturkriege im Jahre 2042 zu übernehmen. Warren Buffet wurde oft kritisiert, weil er sich niemals von der Welle des Informationszeitalters hat mitreißen lassen. Im Nachhinein wird es die beste Entscheidung seines Lebens gewesen sein.

Die US-amerikanische Start-up-Kultur wird oft wegen ihrer Dynamik und ihrer nun prosperierenden Vorzeigeunternehmen beneidet – vor allem in Deutschland. Gerne vergessen werden dabei diese Schilder in den Vorgärten kalifornischer Internetunternehmen, auf denen üblicherweise geschrieben steht: "R.I.P. X-Milliarden $ Venture Capital, die wir verbrennen mussten, um herauszufinden, auf welche Weise sich die Menschen Katzenvideos im Internet anschauen wollen." Wer nicht wagt, der nicht gewinnt – oder kauft dann einfach später alles auf, wenn sich der Pulverdampf gelegt hat. Warren Buffet, dieser gerissene Fuchs.

Deutschland ist der "Al Bundy" der globalisierten Internetwelt

Die deutsche Netz-Szene beschwört noch immer täglich den Innovationsvorsprung in Wirtschaft und Politik durch das Internet. Sorry, aber diese Zeiten sind vorbei. Alle Konzessionen sind vergeben: Wer zu spät kommt, der posted noch auf MySpace. Ich fürchte, wir müssen hierzulande versuchen, auf ein Netzökosystem stolz zu sein, das sich vor allem um die Vollversorgung mit Pizza und Schuhwerk kümmert. Deutschland ist der "Al Bundy" der globalisierten Internetwelt, aber trotzdem irgendwie glücklich. Denn nach all den Ungewissheiten, Pleiten und Enttäuschungen in den Nullerjahren können wir uns spätestens jetzt tiefenentspannt zurücklehnen und Siri zuflüstern: "Internet doesn't matter". (Gastkommentar, derStandard.at, 22. 03. 2013)