Ist "Tomb Raider" für Sie zu actionlastig?

Foto: Square Enix

Die Neuauflage des Action-Adventures "Tomb Raider" sorgte ob ihrer inhaltlichen Kontroverse für reichlich Gesprächsstoff. So sehr die Geschichte auch versucht, Heldin Lara Croft als verletzliche, unerfahrene - menschliche - Entdeckerin darzustellen, arbeitet das eigentliche Spielgeschehen konsequent gegen diese Humanisierung. Wenngleich Croft bei jedem Sturz sichtlich leidet, sie misshandelt wird und sich bei ihrem ersten erlegten Reh weinerlich entschuldigt, scheint sie keine Skrupel zu haben, Feinden eine Spitzhacke in den Kopf zu rammen oder sich in einen Kopfschuss-Rausch zu spielen. Was die Zwischensequenzen an drückender Atmosphäre vermitteln, verpulvern aufpoppende Headshot-Boni bereits nur wenige Minuten später.

Doch weshalb muss das so sein? Wieso muss eine Abenteurerin wie Lara Croft in einem Spiel hunderte Gegner ins Jenseitsschicken und zur schatzsuchenden Massenmörderin werden? Eine Frage, die auch schon bei Naughty Dogs Abenteuerepos "Uncharted" aufkam.

Schwieriger Mittelweg

"'Tomb Raider' wurde oft mit der 'Uncharted'-Serie verglichen und beide Spiele haben dieses Spannungsverhältnis aus sehr lebensnahen, gewöhnlichen Charakteren, die Horden von Schurken töten", erklärt "Tomb Raider"-Autorin Rhianna Pratchett gegenüber Kill Screen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur ein Spielentwickler das Wundermittel zur Lösung dieses Spannungsverhältnis gefunden hat.

Dass "Tomb Raider zumindest versucht, seiner Protagonistin ein Gewissen einzuhauchen, zeigt die erste Szene, als Croft bei der Nahrungssuche ein Wild erlegen muss. "Es ist schwierig, einen freundlichen Charakter aufrecht zu halten. Aber wir haben zumindest versucht der ersten Tötung Gewicht zu verleihen", so Pratchett.    

Gameplay vor Inhalt

Hat Croft ihr erstes Opfer auf dem Gewissen, geht es jedoch nicht mehr so zimperlich zur Sache. Sie bedient sich allen erdenklichen Mordwerkzeugen, um Massen an heranstürmenden Widersachern aus der Welt zu schaffen. Doch wenn es darum geht, die Story mit Hollywood-Blockbuster würdigen Schießereien zu verbinden, "setzen sich Kampf und Gameplay manchmal durch", gesteht sich die Autorin ein.

"Die Anforderungen der Erzählung können die Anforderungen des Gameplays nicht immer übertönen." Tatsächlich setze sich das Gameplay in den meisten Fällen durch. "Von der erzählerischen Perspektive wären wir lieber langsamer an die Sache herangegangen", so Pratchett.

Was Spieler wollen

Gleichzeitig dürfte das kampforientierte Spieldesign auch das Ergebnis einer Kommerzialisierung sein. Shooter sind eben das, was sich heutzutage am besten verkauft. "Wenn Spieler eine Waffe bekommen, wollen sie sie normalerweise auch benutzen. Wir haben versucht, ein bisschen innovativ zu sein, aber die Erzählung kann nicht immer gewinnen."

Die zunehmende "Vershooterisierung" von Spielen weitet sich zur branchenübergreifenden Debatte aus. So sorgte auch die Wandlung der Horrorspiele "Resident Evil" und "Dead Space" zu brachialen Survival-Shootern für Kritik bei der Spielerschaft. "Betrachten wir die typische Zielgruppe für ein Konsolenspiel, sprechen wir oft vom großspurigen jungen Mann, der sich nicht fürchten möchte, sondern einfach nur Dinge zerstören", ließ der ehemalige Epic-Chefentwickler Cliff Bleszinski Mitte Februar einblicken. "Guns sell", heißt das Motto auch 2013 noch. (zw, derStandard.at, 22.3.2013)