Michael Auer: "Es gibt derzeit 16 Arten, eine Miete zu berechnen."

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Bedürftige Mieter zu schützen sei Aufgabe der Gemeinschaft und nicht der privaten Hausbesitzer, sagte der Immobilien-Anwalt Michael Auer im Gespräch mit Claudia Ruff.

STANDARD: Was sollte am Mietrecht geändert werden?

Auer: Alles, es sollte komplett neu geschrieben werden. Bisher wollte sich keiner an dem politisch heißen Eisen die Finger verbrennen, weil da zwei unterschiedliche Universen aufeinanderprallen: die gar nicht so armen Mieter und die bösen Hauseigentümer. Unser Mietrecht ist einfach nicht mehr zeitgerecht.

STANDARD: Sie wehren sich gegen die Beschränkungen im Mietrecht, zumal die EU alles liberalisiert, nur das österreichische Mietrecht den Schutz des Mieters absichert, warum?

Auer: Man muss Bedürftige schützen, das ist keine Frage, aber das ist Aufgabe der Gemeinschaft und der individuellen Förderung, und das kann nicht einseitig zulasten der Hauseigentümer gehen. Allein der 25-prozentige Abschlag bei befristeten Mietverträgen ist ein Skandal. Beschränkungen dieser Art haben eine östliche Mentalität alter Prägung.

STANDARD: Die Zu- und Abschläge bei Richtwertmieten sollten fallen?

Auer: Wir brauchen keine Richtwerte und auch keine Diskussion über die Reparatur von Thermen, die bis zum Obersten Gerichtshof geführt wird. Eine funktionierende Therme ist Sache des Vermieters, genauso wie eine funktionierende Heizung. Aber dafür will ich eine angemessene, also eine marktübliche Miete bekommen.

STANDARD: Was verstehen Sie unter einer marktüblichen Miete?

Auer: Das hängt von der Lage und der Ausstattung der Wohnung ab. Bei einer Wohnung im Gründerzeitviertel im 20. Bezirk mit neuem Bad, Küche, Waschmaschine, Trockner, Vollparkett, Energieversorgung am letzten Stand können es bei Wartungs- und Erhaltungspflicht des Vermieters zehn bis 13 Euro pro Quadratmeter netto, ohne Betriebskosten und Umsatzsteuer sein. Ist dieser (Luxus-)Standard nicht gegeben, dann bleibe ich bei durchschnittlich fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter netto, jeweils nach Entwicklung des Marktes.

STANDARD: Ein Dorn im Auge sind dem Vermieter unter anderem auch die Eintrittsrechte von Familienmitgliedern beim Tod des Hauptmieters. Warum?

Auer: Die Eintrittsrechte sind eine Katastrophe für sich, die gehören weg, oder man lockert den Kündigungsschutz. Der Eigentümer kann die Miete beim Eintritt von Familienmitgliedern nur sehr beschränkt anheben. Ich wäre dafür, einen neuen Mietvertrag zu schließen, weil viele einen zweiten Wohnsitz im Grünen haben. Die Judikatur besagt, wenn der Mieter nur ein halbes Jahr in der Wohnung wohnt, verliert er diese nicht. Damit werden dem Markt bewusst Wohnungen entzogen.

STANDARD: Was kritisieren Sie am Betriebskostenkatalog?

Auer: Der Betriebskostenkatalog stammt von 1920, wird also demnächst 100 Jahre alt und entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Ein Beispiel: Ratten- und Taubengift darf ich verrechnen, aber wenn ich ein Netz über den Hof spanne, um die Tauben abzuwehren, oder Dornensprossen montiere, muss das der Hauseigentümer bezahlen. Potente Handelsketten wie Rewe oder Spar, die früher im Einkaufszentrum Pachtverträge hatten, sind jetzt aufgrund der Rechtsprechung plötzlich unter Mieterschutz gestellt. Stellen Sie sich das vor! Das sind alles Entscheidungen der Gerichte. Ich wünsche mir, dass die Gesetze der Nationalrat macht. Der Hauseigentümer muss heute namhafte Investitionen tätigen, wie Lüftungs- und Alarmanlagen, die Pflege der Grünanlagen, Wärmedämmung, die die Qualität des Hauses deutlich heben, aber deren Kosten nicht verrechnet werden dürfen. Eine Neukodifizierung steht dringend an.

STANDARD: Was halten Sie vom Vorschlag einer Mietobergrenze von sieben Euro pro Quadratmeter?

Auer: Nichts, denn was soll der Wert aussagen, mit oder ohne Betriebskosten, brutto oder netto? Es gibt derzeit 16 Arten, eine Miete zu berechnen. Außerdem schafft das keine einzige zusätzliche Wohnung. (Claudia Ruff, DER STANDARD, 22.3.2013)