Die letzten acht Mannschaften kämpfen im Viertelfinale der Champions League letztendlich um den Aufmarsch Ende Mai im Wembley-Stadion - Eine taktische Vorschau

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Real Madrid - Galatasaray Istanbul

In keiner anderen Begegnung sind die Favoritenrollen so klar verteilt. Galatasaray ist schlicht überraschend und glücklich noch im Bewerb, Real war vom ersten Tag an ein großer Favorit auf den Titel. Die Türken hatten sich schon in der Gruppenphase nur knapp gegen CFR Cluj durchgesetzt und wurden als eigentlich schlechteres Team im Achtelfinal-Rückspiel gegen Schalke von deren Selbstfaller wohl selbst am meisten überrascht.

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Coach Fatih Terim (59) sucht nach dem Zugang von Sneijder und Drogba im Winter immer noch ein System, in dem er die beiden neben Topstürmer Burak Yilmaz (8 CL-Tore) brauchbar unterbringt. Gegen Schalke bot er zu Hause ein flaches 4-4-2 auf (Sneijder links im Mittelfeld), auswärts gab es eines mit Raute (Sneijder als Zehner).

Gegen Real Madrids 4-2-3-1 werden beide Systeme Problemzonen auftun. Das flache 4-4-2 würde Sneijder auf der Außenbahn enorm viel Defensivarbeit abverlangen, das Zentrum preisgeben und Xabi Alonso oder Luka Modric alle Freiheiten geben. Die Raute würde zwar das Zentrum abdichten, aber den Außenverteidigern von Real einen Freifahrtschein zum Angreifen bereitstellen.

Selbst wenn Terim es irgendwie schaffen würde, Großmeister Jose Mourinho (50) taktisch zu überraschen, bliebe immer noch der Qualitätsunterschied auf der personellen Ebene bestehen. Der wirft Fragen auf wie: Wie soll Ex-Arsenal-Spieler Eboue Ronaldo aus dem Spiel nehmen? Oder: Kann der umfunktionierte Flügelangreifer Riera gegen Di Maria defensiv die Stellung halten?

Grafik: Tom Schaffer/ballverliebt.eu

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Dazu kommt, dass auch die "natürliche" Spielanlage der Mannschaften nicht für die Istanbuler spricht: Real ist unglaublich schnell im Konter, Galatasaray kein Team, das gerne mauert.

Aufsteigertipp: Real mit zwei ungefährdeten Siegen.

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Borussia Dortmund - FC Malaga

Der BVB ist ein junges Powerhouse und wird von einer einer spanischen Truppe von letzten Hurras gefordert. Beide Mannschaften zeichnet aus, dass sie als Kollektiv einfach funktionieren. Gemein ist ihnen auch eine 4-2-3-1-Grundformation. Man darf sich schnelle Spiele ohne viel Ballgeschiebe erwarten.

Dortmund hat in der Vorrunde die Gruppe mit Real, Ajax und ManCity gewonnen und braucht dementsprechend niemandem mehr etwas zu beweisen.

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Malaga ließ aber auch immerhin den AC Milan, Zenit St. Petersburg und den RSC Anderlecht hinter sich. Vor allem Malaga wäre im Semifinale trotzdem das Überraschungsteam. Nach dem Ende der kurzen Scheich-Ära musste man Spieler wie Santi Cazorla abgeben und backt nun wieder kleinere Semmeln.

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Die Borussen versuchen ihre Favoritenrolle als Duell zweier Außenseiter herunterzuspielen, man musste sie als deutschen Meister nach den erfolgreichen Jahren der Ära von Trainer Jürgen Klopp (45) hingegen auf der Rechnung haben.

Malaga arbeitet seit 2010 mit dem chilenischen Trainer Manuel Pellegrini (59) und hat neben Saviola auch Ex-Bayern-Spieler Roque Santa Cruz als Alternative im Sturm. Isco ist im Team eine Ausnahme, weil er nicht nur neben zahlreichen über 30-Jährigen erst 20 und aktueller Nationalspieler ist, sondern auch der große Gefahrenherd im offensiven Mittelfeld. Drei Tore, drei Assists hat er in der bisherigen CL-Saison zu verzeichnen. Wenn er es schafft, Platz zwischen Abwehr und Mittelfeld der Dortmunder zu finden, wird es happig für die Umschaltspezialisten aus dem Ruhrpott. Immerhin müssen diese wohl auf den verletzten Abwehrchef Mats Hummels verzichten.

Aufsteigertipp: Dortmund mit Auswärtsremis und Heimsieg.

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FC Barcelona - Paris SG

Barcelona ist die beste Mannschaft der vergangenen fünf Jahre und der sicher scheinende spanische Meister. Mit Paris Saint-Germain trifft man auf ein Team, das wahrscheinlich erstmals seit 1994 wieder französischer Meister wird. Dank Finanzspritzen aus Katar fordert PSG zwar auf Sicht Zutritt zum Geschäft der Großen in Europa. Von der Papierform her ist für die Investitionstruppe aber die Endstation dieser Saison erreicht.

Auf der Bank der Franzosen sitzt Carlo Ancelotti (53), der im Sturm wohl kaum auf Ibrahimovic verzichten wird - mit ziemlicher Sicherheit aber auf den PR-Reservisten David Beckham. Nachdem sich die Pariser etwas einfallen lassen müssen, ist ihre Formation schwierig vorherzusagen. Sie sind eine flexible Mannschaft und können zwischen 4-3-3 und dem gewohnten flachen 4-4-2 vieles spielen.

In einem freien Spiel der eigenen Kräfte wird PSG kein Land sehen. Deshalb wird man - wie so viele Mannschaften - das System gegen Barça stark anpassen müssen. Denkbar scheint etwa ein 4-5-1 (wie aufgezeichnet) oder ein schiefes 4-4-2.

Grafik: Tom Schaffer/ballverliebt.eu

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Mit Pastore und vor allem Lavezzi hat man jedenfalls Spieler mit Tempo, die mit Anlauf in den Rückraum der Barcelona-Abwehr stoßen könnten - optimalerweise während sie davor die Wingbacks der Katalanen beschäftigten. Lavezzi könnte dabei die Rolle von Milans El Shaarawy imitieren. Motta dürfte statt dem spielerisch stärkeren Verratti Messis Sonderbewacher geben. Barcelona wird mit Druck auf den Spielaufbau zusehen, dass PSG gar nicht erst dazu kommt, den immer wieder erstaunlichen Ibrahimovic zu bedienen. Dessen Vergangenheit wird ihm gegen die Spanier sicher nicht zur mangelnden Motivation gereichen.

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Die Katalanen haben unter dem interimistischen Chef Jordi Roura (45), dem Co-Trainer des früheren Guardiola-Co-Trainers Tito Vilanova (44), keine großen Geheimnisse mehr. Das 4-3-3 der Katalanen wird offensiv schon mal zu einem 3-3-4. Es hat offensive Außenverteidiger und eine hoch stehende und gegebenenfalls Steilpass-anfällige Abwehrreihe, vor der eine außerirdisch pressende und agierende Offensivzentrale ihr Tagwerk tut. Und wenn alle Stricke reißen, wäre da noch Messi.

Das Tiqui-taca besticht durch eine erdrückende Vielseitigkeit und Klasse. Gegen Milan hat man wieder einmal gezeigt: Wenn der Gegner es zulässt oder die Situation es erfordert, wird aus einem kontrollierten und manchmal als fad geschmähten Angriffsspiel schon einmal ein wütendes Niederprügeln gegnerischer Abwehrreihen.  Blaugrana ist nach dem Spektakel gegen Ancelottis Ex-Klub AC Milan wieder alles zuzutrauen.

Aufsteigertipp: Barcelona wird zweimal mehr Tore schießen.

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Bayern München - Juventus Turin

Zum Schluss kommt die ausgeglichenste Paarung des Viertelfinales. Beide Teams sind in den heimischen Meisterschaften so gut wie sicher als Titelgewinner durch und in dementsprechend guter Form. Beide haben außerdem im Herbst ihre Gruppenphase als Erster beendet. Juve hatte zuletzt gegen Celtic keine Probleme, ist in dieser CL-Saison noch unbesiegt und hat von Chelsea, Donezk, Nordsjaelland und Celtic zusammen in acht Spielen nur vier Tore bekommen.

Bayern hat hingegen schon zehn Gegentreffer einstecken müssen, drei allein gegen Arsenal, wo man ein sicher scheinendes Ding gerade nicht verspielte. Andererseits war die Leistung im Hinspiel umso imposanter. Mit der Form der vergangenen Wochen war man in München jedoch nicht ganz zufrieden.

Ein Vorteil für das Juventus von Antonio Conte (43) ist möglicherweise das Spielsystem. Das 3-5-2 mit den angriffssüchtigen Wingbacks kennen die Bayern aus dem Alltag schlicht nicht. Ob Alaba und Lahm oder die italienischen Außenspieler die Oberhand im direkten Duell behalten, wird das Spiel prägen.

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Kommen die Bayern über die Seiten nicht durch, werden wie gegen Arsenal viele Distanzschüsse von Kroos zu sehen sein. Auf die Läufe in die Mitte von Robben und Ribery dürften die Italiener mit dem Drei-Mann-Zentrum auf jeden Fall gefasst sein. In der Mitte wird beiderseitig Weltklasse aufgeboten, allerdings muss Jupp Heynckes (67) im ersten Spiel auf Schweinsteiger-Partner Martinez verzichten, der am Dienstag gesperrt ist.

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Die "Alte Dame" hat mit Pirlo als Spielmacher und Marchisio als Antreiber zwei erprobte Deutschland-Schrecken als Antwort zur Verfügung.

Die Doppelspitze ist bei Juve - in welcher Besetzung auch immer - durchaus hochwertig bestückt. Die Bayern haben mit Gomez einen Goalgetter als Mandzukic-Alternative.

Aufstiegstipp: 50:50. Aber zwei enge, hochklassige Spiele mit wenigen Toren enden nach der Verlängerung mit einem Juventus-Sieg. (Tom Schaffer, derStandard.at, 1.4.2013)

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