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Anonyme Hetze bleibt nicht immer folgenlos - so manches Posting zog bereits strafgerichtliche Konsequenzen nach sich.

 

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"Gleich die moslemischen Kinder anzünden!", "Bringt endlich alle Türken um. Nur das Dritte Reich hat Zukunft" oder "Gleich bei der Grenze gehörn die Männer kastriert und die Frauen sterilisiert": Internet-Hasssprüche wie diese nehmen in Österreich zu. Noch nie seien die Berater der Antidiskriminierungs-Organisation ZARA so oft mit Internet-Hetze konfrontiert worden wie im Vorjahr, sagte Sprecherin Claudia Schäfer anlässlich der Präsentation des Rassismusreports 2012 am Donnerstag. Während im Jahr 2009 nur 8,3 der bei ZARA dokumentierten rassistischen Vorfälle im Internet registriert wurden, zeichnet Online-Hetze heute schon für 22 Prozent der Meldungen verantwortlich.

Was den Inhalt der Hetze betrifft, gab es laut ZARA einen Anstieg bei antisemitischen und muslimenfeindlichen Motiven und bei Wiederbetätigung. Facebook-UserInnen schreckten auch nicht davor zurück, auf öffentlich zugänglichen Seiten Sprüche wie "Sieg Heil" und "Heil Hitler" zu posten, sagt ZARA-Berater Wolfgang Zimmer. Auffällig dabei: "Sehr oft" seien solche Hetzpostings auf Webseiten im FPÖ-Umfeld zu finden.

Hetze im FPÖ-Umfeld

Auch die drei eingangs in diesem Artikel zitierten Hasssprüche wurden auf der Facebook-Seite von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gepostet. Einige der bei ZARA dokumentierten Postings sind eindeutig als NS-Wiederbetätigung zu klassifizieren und wurden auch bei der NS-Meldestelle im Innenministerium angezeigt. "Wir erfahren aber nicht, was mit diesen Meldungen passiert", sagt Zimmer. Auf engagierte BürgerInnen, die sich die Mühe machten, Vorfälle bei der Meldestelle zu deponieren, könnte das abschreckend wirken, befürchtet der ZARA-Berater: "Man meldet es ein- oder zweimal, aber wenn man nie etwas hört, lässt man es vielleicht bleiben."

338 Hinweise gingen im Jahr 2011 bei der Internet-Meldestelle für NS-Wiederbetätigung ein - das waren 48 Meldungen mehr als im Jahr 2010. Die Meldestelle ist auch für rassistische Hetze abseits neonazistischer Wiederbetätigung zuständig. Auch die Anzeigenstatistik zeigt einen Anstieg bei Verhetzungsdelikten, wenn auch auf niedrigem Niveau: Waren im Jahr 2009 noch 33 Anzeigen nach dem Verhetzungsparagrafen eingelangt, waren es 2010 bereits 79, im Jahr 2011 war ein weiterer Anstieg auf 84 Anzeigen zu verzeichnen.

Rassismus am Lehrerpult

Rassismus äußert sich nicht nur in Hetzpostings, sondern auch in handfesten Diskriminierungshandlungen im Alltag. Beschwerden über Ungleichbehandlungen in Behörden, Schulen und Geschäften häuften sich, sagt Schäfer. Ein Lehrer, der das Klassenzimmer mit den Worten "Hier stinkt's nach Türken" betreten habe, sei nur ein Beispiel der dokumentierten Rassismusfälle im Bildungssystem.

Solche Vorfälle seien "besonders tragisch", meint ZARA-Beraterin Dina Malandi: Einerseits seien LehrerInnen Vorbilder, zweitens beeinträchtigten rassistische Einstellungen die Fähigkeit, die Leistungen der SchülerInnen unparteiisch zu beurteilen. Dazu kommt laut Malandi, dass rassistische Äußerungen von LehrerInnen nur selten gemeldet werden: "Nicht nur die Betroffenen, sondern auch Zeugen des Vorfalls befürchten negative Konsequenzen."

Auch in der Justiz ortet ZARA Nachholbedarf im Umgang mit rassistischen Tendenzen. Dass im jüngsten U-Bahn-Stoß-Prozess rassistische Motive nicht als straferhöhend gewertet wurden, sei "schockierend und völlig unverständlich", aber kein Einzelfall, meint Malandi: Immer wieder komme es vor, dass rassistische Motive beispielsweise im Fall von gefährlichen Drohungen oder Körperverletzungen ignoriert würden, obwohl sie im Fall einer Verurteilung als Erschwerungsgrund gelten würden.

Apropos Strafjustiz: Im Umgang mit Internet-Hetze glaubt ZARA-Berater Zimmer ein "starkes Ost-West-Gefälle" zu erkennen. Immer wieder höre man von strafgerichtlichen Konsequenzen für rassistische PosterInnen in Vorarlberg und Tirol, aber vergleichsweise selten aus den bevölkerungsreichen Bundesländern Niederösterreich und Wien. Die Anklagestatistik gibt Zimmer recht: Während in den Staatsanwaltschaften Wien, St. Pölten, Korneuburg, Wiener Neustadt und Krems im Vorjahr insgesamt 18 Anklagen wegen Verhetzung oder Wiederbetätigung erhoben wurden, waren es allein in den Sprengeln Feldkirch und Innsbruck zusammen 23 Anklagen. (Maria Sterkl, derStandard.at, 21.3.2013)