Wolfgang Schlögl: Groove-Hersteller, Wolf und "Sofa Surfer". Von ihm erscheinen heuer noch zwei Soloalben.

Foto: Elsa Okazaki

Wien - Wolfgang Schlögl (40) ist nicht als fertiger Theatermusiker vom Himmel gefallen. Als Mitglied und Programmierer der Sofa Surfers war er bisher eher auf der finsteren Seite der Electronica-Szene zu Hause.

Die Musik der Sofa Surfers, ein wahres Wunder der heimischen Downtempo-Kultur, ist stark mit Dub infiziert. Daneben machte Schlögl vor rund zehn Jahren als I-Wolf Karriere. I-Wolf jagte Roots-Reggae und Weltmusik durch die Echokammer. Noch heute können einen die schleppenden Beats der Sofa Surfers bis ins Mark hinein erschüttern. Dabei werden die Grooves nicht erst seit dem Roten Album (2005) häufig von Hand gespielt. Mitunter meint man, ein Kammermusikensemble in einem verfallenen Industriepark üben zu hören.

Ab Donnerstagabend (21.3., 19.30 Uhr) musiziert Schlögl zum bereits zweiten Mal im Theater in der Josefstadt. Stephanie Mohr inszeniert dort Speed, ein von John Malkovich vor sechs Jahren in Paris uraufgeführtes Drogendrama. Man versteht bei der Lektüre sofort, warum US-Autor Zach Helm vor allem als Drehbuchschreiber hervorgetreten ist. Speed besteht aus lauter Close-ups. Gezoomt wird in das Gesicht einer Drogenesserin und Bulimikerin (Sandra Cervik). Man kann sich dazu eigentlich nur eine Musik vorstellen, die in lauter Scherben zerfällt.

Das Stück ist ungewöhnlich für die Josefstadt. Noch viel ungewöhnlicher ist aber Schlögls Engagement an diesem Haus. Vor 15 Jahren wäre ein Rockmusiker für die bloße Ankündigung, für das Josefstadt-Theater einen Soundtrack liefern zu wollen, wahrscheinlich ausgelacht worden.

Schlögl stimmt zu: "Es hat sich auf jeden Fall ein Paradigmenwechsel vollzogen." Er selbst hat tüchtig mitgeholfen, ihn herbeizuführen. Eher durch Zufall landete er 2004 am Wiener Schauspielhaus. Bei ihm sei es so gewesen: "Ich stamme aus einem sozialdemokratischen Elternhaus mit starker Kreisky-Affinität." In den Kleinstädten des Wiener Speckgürtels wie Brunn am Gebirge habe man als Heranwachsender exakt zwei Optionen gehabt: "Entweder bastelte man am Moped herum, oder man hatte eine Band."

Hochkultur als Chance

Aus dem Häuselbauermilieu verschlug es viele nachmalige Indie-Musiker nach Wien. "Das Cosmic Studio, die Band Heinz, das sind alles Jugendfreunde von mir." Der Genuss von Hochkultur sei für jemanden wie ihn, Schlögl, nichts Ehrenrühriges: "Meine Eltern nahmen mich ins Theater der Jugend mit. Das war vielleicht nicht immer super, aber es blieb prägend."

Den unbedingten Wunsch der Arbeiterklasse nach kultureller Betätigung kenne er sonst nur aus Großbritannien: "Dort bildet das Bekenntnis zum Theater auch einen Stolz ab: Wir sehen uns das an, weil diese Tore für uns geöffnet sind." Die verstärkte Konzentration auf Bühnenmusik hatte in Schlögls Fall auch mit der Sesshaftwerdung zu tun.

Das Schockerlebnis trug sich vor rund zehn Jahren zu. Gazetten wie Spex veranstalteten um die (famose) erste I-Wolf-Platte einen regelrechten Hype. Schlögl hatte plötzlich zwei Bands parallel am Laufen. "Meine erste Tochter war sieben Monate alt. Ich kam von einer sechswöchigen Tournee zurück, und sie hat mich vier Tage lang nicht wiedererkannt. Das war ein Schock."

Heute kann sich Schlögl der Anfragen kaum erwehren. Er spricht von sich bescheiden als einem "Halbgebildeten: Ich muss mir jeden Shakespeare neu aneignen." Aber der Bühnenmusiker besitze dafür die Möglichkeit, " narrative Handlungen" mitzutragen.

Von Regisseuren lässt er sich vor Projektbeginn gerne "antexten". Daraufhin, sagt Schlögl, "setze ich mir eine gewisse Einschränkung. Beispiel: Ich verwende nur Klopfgeräusche. Ich suche mir Themen. Doppelungen sind nie interessant, das habe ich bei der Filmmusik gelernt."

Mit seinem reduktiven Ansatz macht sich Schlögl das Leben gelegentlich selbst schwer. Als Matthias Hartmann für sein Krieg und Frieden-Projekt im Kasino den "Score" auf Vinylplatten gepresst haben wollte und dann den Ablauf umstellte, geriet Schlögl gehörig ins Schwitzen. Das Burgtheater hat Schlögl als hierarchischen Betrieb kennengelernt: "Und irgendwann ließ mich Hartmann auch gewähren. Schön."

In Speed wird Wolfgang Schlögl übrigens gut zu sehen sein: "Meine kleine Nische ist der Musiker, der im Bühnenbild präsent ist." Als Performer setzt sich Schlögl öffentlich dem Scheitern aus. Er gleicht darin dem Maler, der in seinem eigenen Bild verschwindet. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 21.3.2013)