Die Anwesenheit von Bundespräsident Heinz Fischer bei der Amtseinführung von Franziskus entsprach dem Protokoll. Schließlich ist der Papst auch Staatsoberhaupt. Die Teilnahme von Bundeskanzler Werner Faymann (und anderen Politikern) fällt dagegen in eine andere Kategorie. 1983 hatte er als Wiener Jungsozialisten-Chef eine Gegenparty zum Besuch von Johannes Paul II. veranstaltet. Am Mittwoch schmückte er sein Facebook-Profil mit einer Ansichtskarte von den Papstfeierlichkeiten.

Und wenn ein bekennender Agnostiker wie Heinz Fischer nach der ersten kurzen Begegnung mit Franziskus ein neues Kapitel der Kirchengeschichte voraussagt, darf man noch auf einiges gefasst sein. Aber angesichts der gewaltigen Erwartungen, die dieser Papst allein mit seinem Bekenntnis zu einer Kirche der Armen geweckt hat, ist Ironie nicht angebracht, Skepsis dagegen schon.

In einer Zeit, da eine Krise die andere jagt, eine Gewissheit nach der anderen wegbricht und immer mehr Menschen die Orientierung verlieren, scheint ein solcher Mann wie gerufen zu kommen. Arme und Benachteiligte, Gläubige und Nichtglaubende, Humanisten und Tierfreunde, Umweltbewegte und Nachhaltigkeitsprediger - fast alle dürfen sich vom Papst Bergoglio vertreten, verstanden, getröstet, ermuntert fühlen. Aber der Mensch Bergoglio kann die damit verbundenen Hoffnungen nicht erfüllen - jedenfalls nicht allein. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 20.3.2013)