Berlin/Wien - Stand Herr X einem florierenden Drogenring vor oder nicht? Oft dauert es monatelang, bis ein Gericht in einem Strafverfahren zu einem Urteil kommt. Zeugen müssen gehört, Gutachten erstellt werden. Damit es nicht gar so mühsam ist, gibt es in Deutschland seit 2009 die Möglichkeit, Deals zu verabreden.

Richter, Staatsanwalt und Verteidiger vereinbaren für den Angeklagten schon vor der Verhandlung eine Höchststrafe, dafür muss er ein Geständnis ablegen. Die Folge: Der Prozess wird stark verkürzt, vor Gericht werden Aussagen nur noch vorgetragen und protokolliert, die oft falschen Geständnisse aber nicht mehr überprüft. Doch seit es diese Regelung gibt, wird Kritik daran geäußert. Von "Ablasshandel", bei dem die Wahrheit auf der Strecke bleibe, ist die Rede.

Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe festgestellt, dass solche Deals zwar weiterhin gemacht werden dürfen, allerdings nur noch unter Auflagen. Richter dürfen nicht auf ein Pauschalgeständnis drängen, sondern müssen in einer Beweisaufnahme die Schuld des Angeklagten aufklären und sein Geständnis überprüfen. Auch müssen Absprachen im Protokoll vermerkt werden.

Widerrufenes Geständnis

In einer Umfrage für das Verfassungsgericht haben knapp 60 Prozent der Richterinnen und Richter in Deutschland eingeräumt, diese informellen und damit illegalen Absprachen bisher vorgenommen zu haben. Als Grund gaben sie Überlastung vor allem bei langwierigen und komplizierten Fällen an.

Zu dem Urteil hatte eine Beschwerde eines jungen Berliner Polizisten geführt. Er war wegen schweren Raubs verurteilt worden, angeblich hatte er zuvor einem Schwarzmarkthändler Zigaretten abgenommen und für sich selbst einbehalten. Das Gericht bot an: entweder vier Jahre Haft ohne Geständnis oder zwei Jahre Haft auf Bewährung mit Geständnis. Der Polizist gestand, widerrief aber sein Geständnis später - er habe es nur abgelegt, weil er unter Druck gesetzt worden war.

Er habe nicht die Chance auf ein rechtsstaatliches Verfahren gehabt, urteilten die Richter. Sollten sich Praxis in deutschen Strafprozessen nicht ändern, müsse der Gesetzgeber handeln, so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle.

In Österreich gibt es die formelle Möglichkeit zu Deals nicht. Allerdings: Natürlich gibt es Gespräche zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung. Auch aus prozessökonomischen Gründen: Ist klar, dass der Angeklagte geständig ist, sind, bis auf das Opfer, keine Zeugen notwendig. Vereinbarte Strafhöhen gibt es zumindest offiziell nicht - da aber "das Geständnis der wesentlichste Milderungsgrund" ist, wie Angeklagten im Prozess erklärt wird, ist die Höchststrafe praktisch ausgeschlossen.

Eine andere Möglichkeit ist die Diversion, wo bei leichteren Delikten beispielsweise eine Geldstrafe verhängt werden kann, der Beschuldigte dann aber als nicht vorbestraft gilt. (Birgit Baumann, Michael Möseneder, DER STANDARD, 20.3.2013)