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Das Finanzsystem, dessen Volumen einem Vielfachen des BIPs entspricht, verlangt seiner maroden Banken wegen eines Schuldenschnitts.

Foto: epa/konstantinidis alkis

Aus einem Schicksalstag ist eine Woche geworden. Nachdem die geplante Zwangsabgabe in Zypern in ihrer ursprünglichen Form gescheitert ist, feilschen die zypriotischen Politiker und die Eurogruppe um die konkrete Ausgestaltung. Spareinlagen unter 20.000 Euro sollen nun davon ausgenommen, höhere Beträge aber nicht geschont werden. Wie auch immer das Votum der Parlamentarier ausgeht, das Finanzsystem könnte dauerhaft kontrolliert werden. Die Zentralbank winkt in ihrer Not mit Gewinnen aus zukünftigen Gasprojekten.

Aufgeblasenes Finanzsystem

5,8 Milliarden Euro sollen die Zyprioten mit der Abgabe hereinbekommen. Im Gegenzug tragen die Euroländer, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) zehn Milliarden Euro zur Rettung des Landes bei. Das ist der Deal. Doch der wackelt gewaltig. Denn im Parlament in Nikosia zeichnet sich ein "Nein" ab.

Passiert das, dann dürfte weiterverhandelt werden – und das Banksystem weiter geschlossen bleiben. Geld in oder aus dem Land kann dann weiter nicht fließen. Selbst am Bankomaten ist beim Tageslimit Schluss. Eine Lösung muss her, sonst drohen die zypriotischen Banken unter der Schuldenlast zu implodieren.

Das aufgeblasene Finanzsystem, dessen Volumen dem Achtfachen der Wirtschaftsleistung entspricht und dessen Banken in Griechenland Milliarden verloren haben, verlangt nach einem Schuldenschnitt. Der setzt im Falle Zyperns aber nicht bei den Staatsanleihen an – weil sie im Gegensatz zu Griechenland kaum eine Rolle spielen – sondern bei den Spareinlagen.

Ruf als Finanzparadies

Bis dato sieht es aber nach einem Scheitern der Einführung einer Abgabe auf Spareinlagen aus. War die Ablehnung am Montag noch der Schröpfung der Kleinanleger geschuldet, scheint es am Dienstag jene der Großanleger zu sein. Zwei Drittel der zypriotischen Bankeinlagen halten Ausländer, überwiegend Russen und Briten.

Angezogen hat sie der Ruf Zyperns als Finanzparadies. Es fehlt dem Land sowohl an Quellensteuern auf Dividenden als auch an einer Pflicht, Eigentumsverhältnisse über Stiftungen und Briefkastenfirmen in öffentlichen Registern festzuhalten. Das zieht Gelder ungeklärter Provenienz an, auch aus Österreich. Rund 100 heimische Firmen sind in Zypern aktiv.

Panicos Panik

Erleichtert man Anleger, die mehr als 100.000 Euro halten, einmalig um rund zehn Prozent, befürchtet die zypriotische Zentralbank ein Austrocknen des Bankensektors. Große Abhebungen und Überweisungen müssten dann ja bald wieder erlaubt werden. In den ersten Tagen würden dann "mindestens zehn Prozent der Einlagen" abgezogen werden, fürchtet Zyperns Zentralbankchef Panicos Demetriades.

Dass viele Privatflieger russischer und ukrainischer Herkunft in Nikosia landen, dürfte ihn zunehmend beunruhigen. Auch viele Griechen, die ein Bankkonto in Zypern eröffnet haben, wollen ihr Geld nun zurückhaben. Aus Angst, ihrer Spareinlagen zu Hause verlustig zu gehen, haben sie ihr Geld auf die Insel gebracht. Zentralbanker Demetriades will das abwenden und winkt daher mit Anteilsscheinen an den Gewinnen aus der Gasförderung des Landes für all jene, die ihr Geld nicht abziehen.

Tabubruch

Zypern kämpft aber mit einem noch größeren Dilemma. Geldanlage hat immer mit Vertrauen zu tun. "Einmalig" sei die Abgabe, betonen Vertreter der Regierung, der Eurozone und der EZB unisono. Doch garantieren will das keiner.

"Viele werden sich denken: Wenn man uns einmal enteignet, warum nicht noch einmal und ihr Geld daher abziehen", sagt etwa der Wiener Ökonom Vladimir Gligorov. Doch auch wenn die Regelung einstweilen nicht durchgeht, könnten Anleger aus Angst massig Geld aus Zypern abziehen.

Abwenden kann man dieses Szenario laut Gligorov nur durch vertrauenswürdiges Krisenmanagement oder Kapitalverkehrskontrollen.

Zurück in die Zukunft

Geld nicht aus dem Land lassen, das widerspricht allerdings einer Grundfreiheit der EU. Dass man ohne Schranken Geld von A nach B überweisen kann, ist eine heilige Kuh des Unionsrechts. Erst wenn Eurogruppe, EU-Kommission und EZB zustimmen, darf der Kapitalfluss kontrolliert werden. Und das für maximal sechs Monate.

In Europa angewandt wurde dieses drakonische Mittel in jüngerer Zeit bisher nur vom EU-Beitrittskandidaten Island zu Beginn der Finanzkrise 2008. Davor sind Kapitalverkehrskontrollen in den Industrieländern für einige Jahrzehnte – seit dem Abkommen von Bretton-Woods – hinter den geldpolitischen Vorhang gerutscht.

Russlands Maß

Ausnahmen gab es immer wieder im Zusammenhang mit Schuldenkrisen, etwa jener in Russland 1998. Ironischerweise ist das Land, das in seiner jüngeren Vergangenheit selbst ausländischen Kreditgebern Zins- und Tilgungszahlungen verwehrte, nun ein Hauptgegner der zypriotischen Abgabenpläne. Als "ungerecht" bezeichnete sie Präsident Wladimir Putin, der am Dienstag mit seinem zypriotischen Amtskollegen Nikos Anastasiades sprechen soll.

Egal ob Ja oder Nein zur Zwangsabgabe – das Vertrauen der Bürger in das zypriotische Finanzsystem ist nachhaltig geschädigt. Wenn die Banken in den nächsten Tagen aufsperren, sollten Anastasiades und Demetriades Kapitalverkehrskontrollen in petto haben."Wir haben unsere eigenen Pläne", ließ Anastasiades am Dienstag ausrichten. (sos, derStandard.at, 19.3.2013)