Der tiefste Punkt des Marianengrabens, die Challenger-Tiefe, erhielt seinen Namen nach dem britischen Forschungsschiff Challenger II, das dort 1951 mit Lotungen die tiefste Stelle des Meeresbodens bestimmte.

Karte: Google/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Der Boden elf Kilometer unter dem Meeresspiegel wirkt auf den ersten Blick öd und leer. Tatsächlich aber wimmelt es in den Sedimenten von Mikroorganismen.

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Der Tiefsee-Lander wurde zum Grund des Marianengrabens geschickt, um Daten über die dortige bakterielle Gemeinschaft zu sammeln. Der Roboter fand Erstaunliches.

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Der Unterwasser-Roboter besitzt für die Sauerstoffmessung ultraempfindliche Sensoren, die mit den extremen Umweltbedingungen dort unten zurecht kommen.

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Als der kanadische Filmregisseur James Cameron vor ziemlich genau einem Jahr mit seinem U-Boot "Deepsea Challenger" in den Marianengraben hinabstieg, erinnerte ihn der Anblick der Unterwasserwüste an eine Mondlandschaft. Der Eindruck täuschte, das Challengertief, die tiefste Stelle des Meeresbodens, ist alles andere als unbelebt - man muss nur mit den entsprechenden Instrumenten hinschauen.

Ein internationales Forscherteam um Ronnie Glud von der Universität von Süddänemark konnte feststellen, dass eine erstaunlich aktive Mikrobengemeinschaft die Sedimente des 11.000 Meter tiefen Grabens bewohnt - und das, obwohl dort ein extrem hoher Druck, 1100 mal so hoch wie auf Meeresspiegelhöhe, herrscht. In den Sedimenten des Grabens fanden die Forscher eine vielfach höhere Anzahl von Bakterien als in den umliegenden Sedimenten der Tiefseeebene auf "nur" 6000 Meter Tiefe.

Tiefseegräben sind vor allem deshalb Orte von hoher mikrobieller Aktivität, weil der Eintrag von organischem Material ungewöhnlich hoch ist. Dazu zählen absinkende Kadaver von Meerestieren, aber auch Reste von Algen, die sporadisch immer wieder in großen Mengen auf den Meeresboden sinken. An den Grabenhängen kann dieses Material, durch Erdbeben mobilisiert, in die tiefsten Stellen des Grabens abrutschen. Demnach haben Tiefseegräben, obwohl sie nur etwa zwei Prozent der Fläche der Ozeane der Erde ausmachen, einen relativ großen Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf, erklärt Ronnie Glud. Zusammen mit seinen Kollegen aus Deutschland, Japan, Schottland und Dänemark erkundete er den mikrobiellen Kohlenstoffumsatz im tiefsten Graben der Ozeane.

Technische Hürden

Die Forscher maßen die Sauerstoffverteilung im Sediment des Grabens und an einer Referenzstelle auf 6.000 Meter Tiefe und nahmen Sedimentkerne mit einem autonomen Probenahmegerät, welches mit einer Videokamera ausgestattet war. "Wir können aus der Sauerstoffverteilung die bakterielle Sauerstoffaufnahme, also die Atmung, berechnen," sagt Frank Wenzhöfer vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. "Zusammen mit der Information über den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Sediment können wir die mikrobielle Aktivität im Sediment abschätzen".

Natürlich sind die Messungen in solch großen Tiefen eine technische und logistische Herausforderung. "Wenn wir Proben vom Meeresboden herauf holen, um sie im Labor zu untersuchen, überleben viele der an die Tiefseebedingungen angepassten Organismen die Temperatur- und Druckveränderung nicht. Deshalb haben wir Geräte entwickelt, die vorprogrammierte Messabläufe autonom auf dem Meeresboden bei hohem Druck ausführen.", erklärt Ronnie Glud. Das Forscherteam hat mit mehreren Firmen zusammen einen Unterwasser-Roboter entwickelt, der beinahe 4 Meter groß ist und 600 Kilogramm wiegt. Dieser Roboter führte unter anderem die Sauerstoffmessungen mit ultraempfindlichen Sensoren durch.

Mikroorganismen als dominierende Lebensformen

"Auf unseren Videos aus der Tiefe sind kaum größere Tiere zu sehen", sagt Glud. "Wir haben es also mit einer Welt zu tun, die von Mikroorganismen dominiert ist, die in hohem Grade an für die meisten höheren Organismen feindlichen Bedingungen angepasst sind."

Für Wenzhöfer ist die Erforschung der Tiefseegräben nicht nur wichtig, um deren Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf genauer definieren zu können. "Die Tiefseegräben sind nach wie vor einige der letzten weißen Flecken auf der Landkarte. Wir möchten gerne die bakteriellen Gemeinschaften dort genauer charakterisieren und verstehen, wie sie sich an ein Leben in diesem außergewöhnlichen Lebensraum angepasst haben. Außerdem möchten wir herausfinden, ob der mikrobielle Kohlenstoffumsatz in der Tiefsee Auswirkungen auf unser Klima hat. Dazu sind Expeditionen zu weiteren Tiefseegräben, zum Beispiel dem Kermadec-Tonga-Graben bei den Fiji-Inseln, geplant." (red, derStandard.at, 18.03.2013)