Sebastian Kurz (26) hat als Chef der Jungen ÖVP das Demokratiepaket für die Volkspartei erarbeitet. Kurz ist seit Frühjahr 2011 Integrationsstaatssekretär.Sebastian Kurz will staatsnahe Betriebe ins Transparenzgesetz schreiben. Dass die SPÖ das nicht will, hält er für "fahrlässig".

Foto: Der Standard/Newald

STANDARD: Sie sind vonseiten der ÖVP zuständig für die Verhandlungen rund um das Transparenzgesetz. Wie ist die Stimmung zwischen Ihnen und Staatssekretär Josef Ostermayer, der für die SPÖ verhandelt?

Kurz: Die Stimmung ist immer gut. Wenn es einen Konflikt gibt, dann nur in der Sache. Ich will einen gläsernen Staat, nicht einen gläsernen Bürger. Es gibt viele Politiker, die immer wieder schauen, ob es bei einer Einzelperson noch etwas zu holen und zu besteuern gibt. Das ist nicht der richtige Ansatz. Wir brauchen für die Einzelperson eine ausgeprägte Wahrung der Privatsphäre. Aber wenn öffentliches Geld im Spiel ist, brauchen wir Transparenz.

STANDARD: Sie kritisieren, dass es von der SPÖ keinen Gesetzesentwurf gibt, sondern eine punktuelle Aufzählung. Warten Sie auf den Entwurf, oder sollen die Verhandlungen bereits starten?

Kurz: Wir haben eine Punktation bekommen, die in die richtige Richtung geht. Ich bin dankbar, dass Ostermayer unseren Vorschlag aufgegriffen hat und unterstützt, was wir fordern. Jetzt muss man schnell in die Gänge kommen. Es braucht einen Gesetzestext. Ostermayer ist Ressortzuständiger, aber es braucht eine möglichst starke Einbindung der Initiative transparenzgesetz.at. Das ist alles vernünftig, was die fordern. Wir sind das letzte Land der alten EU-15, die das Amtsgeheimnis haben. Mehr als 90 Staaten haben ein Informationsfreiheitsgesetz. Geht man nach den internationalen Rankings, stehen wir schlecht da.

STANDARD: Das ist nichts, was die Politik nicht schon jahrelang hätte ändern können. Braucht es Initiativen von außen, um der Politik einen Anstoß zu geben?

Kurz: Wir haben vor einem Jahr das Demokratiepaket präsentiert. Da war die Transparenz unter dem Stichwort "open data" enthalten. Das war vor der Initiative und vor der Landtagswahl in Kärnten. Wir haben uns bei den Verhandlungen nicht durchgesetzt. Aber für mich ist nicht entscheidend, ob man das schon vor zwanzig Jahren hätte machen können. Ich finde gut, wenn man es jetzt macht.

STANDARD: Die bevorstehende Nationalratswahl spielt keine Rolle?

Kurz: Wie gesagt: Ich habe das schon vor einem Jahr präsentiert. Nachdem Ostermayer jetzt sagt, er will das auch, kommt Bewegung in die Sache. Natürlich freue ich mich, wenn wir das noch vor der Nationalratswahl umsetzen, aber dennoch ist es ein elitäres Thema. Die Massen wählen einen nicht wegen eines Transparenz- oder Informationsfreiheitsgesetzes.

STANDARD: Aber sie wählen einen, wenn sie das Gefühl haben, es wird etwas gegen Korruption getan.

Kurz: Ich bin diese Umfragen-getriebene Politik leid. Wenn ein Politiker etwas macht, scheint immer alles Taktik zu sein. Das stimmt nicht. Reformen sind immer sinnvoll. Aber warum ich für Transparenz bin: Wenn man als Politiker Geld ausgibt und verteilt, wird applaudiert und auf die Schulter geklopft. Wenn man sparsam ist, gibt es Kritik. Für Politiker ist es also angenehm, möglichst viel auszugeben. Für den Staat ist es aber wichtig, dass Politiker sparsam sind. Transparenz sollte Politiker in der Geisteshaltung unterstützen. Je transparenter das System, desto öfter überlegt sich ein Politiker, ob und wofür er Geld ausgibt.

STANDARD: Was fehlt Ihnen beim Transparenzgesetz-Entwurf?

Kurz: Mir fehlen die Betriebe, die zu hundert Prozent im Staatseigentum sind. Die sind im SPÖ-Papier ausgenommen, das halte ich für fahrlässig. Es darf keine Ausnahme für solche Betriebe geben, dann könnten sie zu einer Korruptionsschleuse werden.

STANDARD: Die SPÖ argumentiert, ein Einbeziehen könnte die Wettbewerbsfähigkeit einschränken.

Kurz: Es braucht einen behutsamen Umgang. Es ist sinnvoll, dass Geschäfts- und Privatgeheimnisse gewahrt werden. Das ist bei jedem Transparenzgesetz der Welt so. Aber man soll die Staatsbetriebe nicht komplett rauslassen. In Hamburg etwa sind natürlich auch alle Betriebe in Stadteigentum vom Transparenzgesetz erfasst. Das funktioniert.

STANDARD: Betrifft das Betriebe, die zu hundert Prozent oder auch nur anteilsmäßig der Stadt gehören?

Kurz: Wenn ein Betrieb teilprivatisiert ist, gibt es Aktionäre, die Einblick haben. Bei Staatsbetrieben sind die Steuerzahler die Aktionäre, haben aber keine Rechte. Pauschal zu sagen, diese Betriebe stehen in einem Wettbewerb, wage ich zu bezweifeln. Wer wäre das in Österreich? Etwa das AMS und landeseigene Firmen wie Wiener Linien oder Stadtwerke. Wo ist da der Wettbewerb? Ich sehe ihn nicht. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt, dass Korruption oft in ausgelagerten Stellen stattgefunden hat. Verkürzt: Korruption mag den Scheinwerfer nicht.

STANDARD: Heißt das, Sie vermuten in diesen Betrieben Korruption?

Kurz: Ich will niemandem etwas unterstellen. Aber schaut man sich die Korruptionsfälle der Vergangenheit an, finden die meist nicht im Ministerium, sondern in der Schnittstelle zwischen Staat und Wirtschaft statt, also bei staatseigenen Betrieben. Je mehr Transparenz, desto sorgsamer wird mit Steuergeld umgegangen.

STANDARD: Gibt es eine Deadline für das Transparenzgesetz?

Kurz: Man muss es sorgsam machen, aber bis zu den Nationalratswahlen sollten wir das Gesetz zustande bringen.

STANDARD: Sie haben sich für Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Card ausgesprochen. Hat das angekündigte Gespräch mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) schon stattgefunden?

Kurz: Ich bin immer in gutem Kontakt mit Hundstorfer. Es ist nicht sinnvoll, wenn man jemanden in Österreich studieren lässt, der das günstig tun kann, und ihn danach, wenn er anfangen würde, Steuern zu zahlen, aus dem Land schickt. Das ist weder menschlich noch volkswirtschaftlich sinnvoll.

STANDARD: Derzeit ist die nötige Einkommensgrenze bei 1998 Euro brutto. Wie hoch soll sie sein?

Kurz: Da kann man flexibler sein, etwa bei einem Einstiegsgehalt zwischen 1600 und 1900 Euro. Ich finde, sobald jemand Steuern zahlt und in einem Beruf seiner Qualifikation entsprechend tätig ist, soll er auch hier arbeiten dürfen. (Saskia Jungnikl, Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 19.3.2013)