Es klang nicht nur wie ein Vorwurf, sondern es war auch einer: "Eltern von Kindern mit infantiler Zerebralparese werden von unserem Gesundheitssystem alleingelassen", sagte der renommierte Neurologe Franz Gerstenbrand. Es gebe zu wenige Kinderneurologen, die die vielfältigen Symptome von schwerstbehinderten Kindern differenziert genug untersuchen, entsprechende Möglichkeiten der modernen Bildgebung wie Magnetresonanztomografie (MR) bzw. funktionales MR würden nicht früh genug eingesetzt, und Rehabilitationsprogramme fehlten vollkommen.

Angesichts der Tatsache, dass in Österreich rund 30.000 Menschen an den Folgen von infantiler Zerebralparese (IZP) leiden, sei hierzulande vieles reformbedürftig. Ein Ort, an dem Kindern mit IZP genügend Zeit und Sorgfalt entgegengebracht wird, ist das Adeli Medical Center in Pistany in der Slowakei.

Infantile Zerebralparese ist eine unheilbare Erkrankung, die auf einer Schädigung des fetalen und frühkindlichen Gehirns beruht. Durch diese Schädigung sind Bewegung und Haltung des Kindes massiv beeinträchtigt, Störungen der Motorik, Schielen, epileptische Anfälle begleiten die unheilbare Erkrankung. Etwa zwei von 1000 Neugeborenen sind betroffen, vor allem viele Kinder, die als Frühgeburten zur Welt gekommen sind, leiden an IZP.

Plan für Eigeninitiative

"Je früher die Kinder kommen, umso besser die Chancen, dass unser Neurorehabilitationsprogramm Verbesserungen bringt", sagt Olga Boldisova, Kinderneurologin am Adeli Medical Center. Sie empfiehlt den Therapiebeginn ab einem Alter von acht Monaten. Zweimal im Jahr zwei Wochen intensive Therapie mit Kindern und ihren Eltern hat sich in einer Studie als erfolgreiches Setting erwiesen. Nach eingehender Diagnostik - das Adeli Medical Center orientiert sich an einem Testverfahren zur Klassifizierung der Beeinträchtigungen - wird ein individueller Therapieplan erstellt. Neben einer exakten Medikamenteneinstellung wird mit den Patienten 4,5 bis sechs Stunden pro Tag gearbeitet: Physiotherapie, Sprachstimulation, Massagen, "die Schulung der Eltern ist uns das wichtigste Anliegen, denn alle Übungen sollten zu Hause weitergeführt werden", sagt Boldisova, und ohne sorgfältige Instruktion können die Eltern auch Schaden anrichten.

Worum es langfristig geht? Kinder mit Schwerstbehinderungen vor Folgeerkrankungen zu bewahren: etwa das Bed Rest Syndrom, Muskelatrophien oder weitere Hirnschädigungen, die durch unzureichende Sauerstoffversorgung passieren. Im besten Fall gelingt es, IZP-Kinder zu mobilisieren, einige haben durch spezielle Stützanzüge sogar gehen gelernt.

Allein: Diese nur in der Slowakei existierende Neurorehabilitation ist teuer. 3000 Euro plus Unterbringungskosten müssen Eltern zweimal im Jahr aufbringen. Von den Krankenkassen ersetzt werden Aufwendungen für Physiotherapie, zirka 500 Euro.

In Pistany arbeiten drei Physiotherapeutinnen pro Kind. Gerstenbrands Statement, wonach Eltern mit schwerstbehinderten Kindern von österreichischen Institutionen alleingelassen werden, stimmt. Die wenigsten werden sich die Therapie in der Slowakei leisten können. (Karin Pollack, DER STANDARD, 18.3.2013)