Seit der Geburt einer gut vermarktbaren Ikone unter dem Titel " Prinzessin der Herzen" geht es nicht mehr ohne Herz. Folgerichtig hatte "Heute" Donnerstag "Papst der Herzen" auf dem Titelblatt, überboten nur - einmal dürfen Sie raten - von "Österreich", das mit "Unser neuer Papst - Er ist Papst der Herzen!" den Dichands zeigte, wo der Fellner das Weihwasser holt. Kirchenkenner in diesen Blättern wussten schon unmittelbar nach der Wahl, dass es sich diesmal um einen Papst zum Knuddeln handelt. "Er beginnt zu sprechen, eine sanfte, weiche Stimme. Mit 76 bewegt er sich dazu geschmeidig wie ein Salsa-Tänzer, ein spitzbübisches Lächeln huscht über sein Gesicht ... Ich glaube, den neuen Papst könnte ich mögen", erteilt ihm der Chefredakteur von "Heute" seinen Segen.

"Franziskus I. wird ganz sicher ein "Papst der Herzen" werden, ein Kirchenfürst zum Gernhaben", befindet auch der Chefredakteur von "Österreich", nicht ohne einen Hauch von Skepsis. "Franziskus wird der Kirche ein neues Image und einen neuen, weltoffenen Kurs geben müssen." "Papst der Herzen" ist in schwierigen Zeiten wie diesen für unsere Kirche zu wenig ...", nimmt er die Kirche unter die Fittiche des Boulevards und führt gleichzeitig den von ihm diktierten Blattaufmacher ad absurdum.

Wie weit die Kardinäle bei dieser Wahl dem Heiligen Geist gefolgt sind, wird sich erst herausstellen. Auf Mama Schönborn haben sie jedenfalls gehört, und das war gut so, denn die weiß, wie im Vatikan die Musik spielt. "Eine Mutter bangt um ihren Sohn", enthüllte die "Kleine Zeitung" ein Familiendrama hinter der Sixtinischen Kulisse. "Kardinal Christoph Schönborns engste Familie, seine Mutter und seine drei Geschwister, erlebt derzeit bange Stunden", und das, obwohl der Kardinal mit den Worten "Regt's euch nicht auf, ich werde bestimmt nicht Papst" zu kalmieren versuchte. Schließlich weiß man beim Heiligen Geist nie, wo er zuschlagen könnte, aber den Argumenten von Mama Schönborn konnte er sich nicht verschließen, sollte er sie vernommen haben: "Christoph wäre den Gemeinheiten im Vatikan nicht gewachsen. Ihm reichen die Intrigen in Wien. Er nimmt von jedem Menschen nur das Beste an und ist zutiefst gekränkt, wenn man nicht ehrlich ist. Solche Charaktereigenschaften seien keine guten Voraussetzungen, um im Vatikan zu bestehen". Wenn nur der, den es getroffen hat, die richtigen Charaktereigenschaften mitbringt!

Erschütternd übrigens der Kulturverfall in hohen Kirchenkreisen, von dem die "Wiener Zeitung" aus gegebenem Anlass berichtete. "In der traditionellen Kirchensprache Latein, die bei den beiden Konklaven 1978 unter den älteren Purpurträgern noch die Umgangssprache war, kann sich nur noch eine Minderheit der Kardinäle ausdrücken. Vor dem Konklave konnten sich die weniger sprachkundigen Eminenzen von Dolmetschern helfen lassen, in der Sixtinischen Kapelle sind sie auf sich gestellt". Dann darf man sich über die Ergebnisse nicht wundern.

Von Verfall gezeichnet in diesen Tagen übrigens auch der Mann, der bis neulich noch als der Blaue der Herzen zu erscheinen bemüht war. Wie sehr gezeichnet, ging daraus hervor, dass ihn nun schon der Schütze des journalistischen Hegeschusses ins Visier nehmen durfte. Lieber HC Strache, drückte Michael Jeannée in der "Krone" vom Sonntag ab, "der frühere Glanz von Stahl in Ihren blauen Augen: heute nur mehr ein verschattetes Schimmern".

Das könnte noch an einem Wechsel der Linsen gelegen sein, aber auch "die ehedem aggressiven Stakkati Ihrer brutalen Eloquenz: in diesen Tagen ein speichelndes Gelaber. Der einst so gefährlich anmutend messerscharf-schmale Strich Ihrer Lippen: nun ein harmloses Karpfenmaul". Da spricht die Enttäuschung eines Schreibers, der lange auf dem "Strich der messerscharf-schmalen Lippen" wandelte, ehe ein Frank Stronach ihm Einsicht in das "harmlose Karpfenmaul" eröffnete. "Die vormalig kraftvoll-straffe Sprache Ihres Körpers: der Elastizität beraubt, eine Bewegungs-Stammelei", der sich die Sprachstammelei des Beobachters gern anpasste.

Als wäre der Besitzer des "harmlosen Karpfenmauls" damit nicht schon genug erniedrigt, setzte Jeannée noch eins drauf, um diesem Urbild lederbehosten Reckentums die Hinwendung der "Krone" zu einem neuen Strahlemann unmissverständlich anzuzeigen: Es war eine Frau, "die Sie nicht verkrafteten, es war Barbara Rosenkranz, die nicht daran denkt, das Feld zu räumen". Noch selten ward Männlichkeit schlimmer gedemütigt. (Günter Traxler, DER STANDARd, 16./17.3.2013)