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Direktor Dominique Meyer will keine teureren Karten: "Wenn wir die Preise anheben, würde die Auslastung sinken."

Foto: APA/Hochmuth

Standard: In der Saison 2011/12 machte die Staatsoper einen Verlust von 5,19 Millionen Euro. Für die laufende Saison haben Sie einen einmaligen Zuschuss in der Höhe von 4,2 Millionen bekommen. Wie geht es weiter?

Meyer: Es stimmt: Seit 2005/2006 ist das Bilanzergebnis durch Gewinnvorträge bzw. Auflösung von Rücklagen ausgeglichen worden. Jetzt gibt es keine Rücklagen mehr. Das Problem ist: Uns wurde nie die Inflation abgegolten. Die Basisabgeltung, derzeit 54,58 Millionen Euro, hat daher seit der Ausgliederung 1999 vom Wert her 15 Millionen Euro verloren. Wenn wir in dieser Zeit nur die Inflation ausgeglichen bekommen hätten, hätten wir jetzt Reserven von 85 Millionen. Das ist schon gewaltig. Wie geht es weiter? Wir waren immer vorsichtig, wir haben koproduziert, wir haben die Kosten im Griff, unsere Höchstgage ist immer noch die Gleiche.

Standard: Angeblich 12.000 Euro?

Meyer: Ich gebe keine Zahlen bekannt. Schon seit 20 Jahren ist unsere Höchstgage gleich. Alle anderen Häuser zahlen weit mehr. Und trotzdem wissen wir nicht, wie es weitergeht. Denn es gibt Wahlen, wir müssen auf eine neue Regierung warten. Aber gleichzeitig müssen wir drei, vier Jahre im Voraus planen.

Standard: Die Auslastung liegt in dieser Saison bei 99,19 Prozent. Das gelingt weltweit keinem anderen Opernhaus. Sie können ja gar nicht mehr Geld einnehmen.

Meyer: Wir sind am Plafond angelangt. Mehr Geld einzunehmen: Das ist praktisch nicht machbar. Und wenn man mir aufträgt, ein Budget auf Basis der gegenwärtigen Situation zu erstellen, dann muss ich das ablehnen. Ich bin doch nicht verrückt! Ich kann nicht davon ausgehen, dass die Auslastung immer bei 100 Prozent liegt. Alle anderen großen Opernhäuser haben Auslastungsprobleme: in Italien, in Deutschland.

Standard: Wie könnten Sie Geld einsparen? Durch Schließtage?

Meyer: Nein. Denn wir würden die Einnahmen verlieren. Das Repertoiresystem funktioniert nur mit Chor, Orchester und Ensemble. Das haben wir. Wenn man Chor, Orchester und Ensemble hat, ist es im Interesse des Hauses, so viel wie möglich zu spielen. Daher wäre ein Schließtag ein Verlust. Und die Leute würden schimpfen. Daher wollen wir keine Schließtage. Wenn wir Kosten massiv einsparen wollen, gibt es nur eine Möglichkeit: zwei fixe Schließtage pro Woche. Denn dann kann man das Personal deutlich reduzieren. Das wäre eine radikale Maßnahme. Ich persönlich würde sie aber nie setzen.

Standard: Ein Grund zu gehen?

Meyer: Ja. Zwei Schließtage wären der Tod des Repertoiresystems. Und ich will nicht der Täter sein.

Standard: Es gäbe noch eine andere Möglichkeit: die Eintrittspreise stark anzuheben.

Meyer: Wir haben die Preise vor zwei Jahren angehoben. Das wurde vom Publikum akzeptiert, das ist gut gegangen. Aber bei Premieren haben wir aufgrund der höheren Preise bereits Schwierigkeiten, alle Karten zu verkaufen. Das heißt: Wir sind schon an der Grenze. Wenn wir die Preise anheben, würde die Auslastung sinken.

Standard: Stichwort Premiere: Wie viele wird es in der nächsten Saison geben?

Meyer: Sechs Opernpremieren, davon zwei Kooperationen - beispielsweise mit dem Covent Garden, außerdem eine Kinderopern-Uraufführung und drei Ballettpremieren. Die Titel kann ich Ihnen nicht verraten: Meine Pressekonferenz ist am 19. März. Aber ich werde viel zu erzählen haben. Viele große Dirigenten kommen in den nächsten Jahren, darunter Zubin Mehta, Christian Thielemann, Daniele Gatti, Simon Rattle, Semyon Bychkov, Yannick Nézet-Séguin, Christoph Eschenbach, Kirill Petrenko, Gustavo Dudamel.

Standard: Keine Kooperation gibt es mit Gerard Mortier, dem Intendanten des Teatro Real. Er meinte kürzlich, dass die Staatsoper international bedeutungslos sei. Warum hat er Sie derart angegriffen?

Meyer: Ich will das nicht kommentieren. Das ist nur die Meinung von Mortier. Wir haben immer wieder die gleichen Regisseure. Warum sind sie interessant, wenn sie bei ihm inszenieren - und uninteressant, wenn sie an der Staatsoper inszenieren?

Standard: Aber mit Michael Haneke hat er schon einen Coup gelandet. Warum inszeniert Haneke in Madrid - und nicht in Wien?

Meyer: Ich bin glücklich für Michael! Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir etwas zusammen machen. Wir haben darüber geredet.

Standard: Und Stefan Herheim?

Meyer: Er wird an der Staatsoper inszenieren! Es gibt schon den Vertrag. Aber ich habe schon noch eine Antwort auf Mortier: Heuer im Juli gehen wir mit dem Ballett für einen Monat nach Paris. Einen Monat lang! Das sollte man nicht unterschätzen, denn Paris ist eine Ballettstadt. Im Chatelet präsentieren wir fünf Programme. Im Herbst spielen wir dreimal Figaro in Moskau. Das ist super. Im Februar 2014 gastieren wir in New York mit Wozzeck und Salome.

Standard: Wie viel Geld hat das letzte Japan-Gastspiel gebracht?

Meyer: Einen Haufen! Mehr sag ich nicht. Ich will, dass die Staatsoper auch in den Bundesländern spielt. Denn die Menschen dort finanzieren uns mit. Da haben wir einiges in Planung, u. a. in Graz.

Standard: Welche Projekte verfolgen Sie noch?

Meyer: Ich will mehr zeitgenössische Opern. Als erste Etappe bringen wir mehr Stücke aus dem 20. Jahrhundert, zum Beispiel Wozzeck, der schon lange nicht mehr gespielt wurde, und wir werden Tempest von Thomas Adès aufführen. Und dann wird es Uraufführungen geben. Wir planen zwei neue Kinderopern und drei Opern. Die erste Uraufführung im großen Saal wird 2016/17 stattfinden.

Standard: Warum haben Sie Christopher Widauer, zuletzt Wiener Theaterreferent, engagiert?

Meyer: Er bereitet ein wichtiges Projekt mit Samsung vor: Opernübertragungen in hoher Qualität. Man wird bezahlen müssen - es ist Arbeit, es hat einen Wert. Aber es soll nicht teuer sein.

Standard: Warum bringen Sie "Ariadne" nur verstümmelt?

Meyer: Verstümmelt? Das ist die endgültige Fassung von Richard Strauss und Hofmannsthal! Das ist auch die einzige, die über mehrere Jahre in einem Repertoirebetrieb gespielt werden kann. Ich habe die Salzburger Fassung von Sven-Eric Bechtolf aber sehr genossen - und ich würde sie gerne zeigen. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit. Franz Welser-Möst und ich denken an Strauss-Tage in der Saison 2016/17, an einen Strauss-Schwerpunkt. Das Orchester hat ja alle Opern drauf, ich möchte, dass man auch die Tondichtungen und die Lieder spielt.

Standard: In Salzburg geht es rund. Ist Ihnen ein Kommentar zu Intendant Pereira zu entlocken?

Meyer: Er ist ein Freund von mir, ich schätze ihn. Aber etwas verstehe ich nicht: Warum werden derart grundsätzliche Probleme und Budgetfragen nicht hinter verschlossenen Türen diskutiert? Solche öffentlichen Auseinandersetzungen führen zu nichts. Eines muss man schon sagen: Das Niveau der Opernhäuser ist heute sehr hoch. Da müssen sich die Intendanten der Festivals fragen: Was muss ich anbieten, um nach wie vor attraktiv zu sein? Ich persönlich möchte das nicht machen müssen.

Standard: Warum hat Franz Welser-Möst, Ihr Generalmusikdirektor, den geplanten Salzburger Da-Ponte-Zyklus abgesagt?

Meyer: Das kommentiere ich nicht. Aber es gefällt mir, wenn Franz sagt: " Ich habe in Wien alles, was ich brauche." Das ist für mich wichtig.

Standard: Welser-Möst war zuletzt erkrankt. Täuscht der Eindruck, oder gab es heuer besonders viele Ausfälle?

Meyer: Es stimmt, es war schrecklich. Wir mussten dauernd umbesetzen. Aber Krankheiten gehören eben zum Leben dazu. Das hat man einfach zu akzeptieren - wie die Entscheidung des Schiedsrichters auf dem Spielfeld.

Standard: Sie haben ja in Ihrer Jugend Rugby gespielt.

Meyer: Ja. Bis ich eine Verletzung hatte. Ich kam in ein Krankenhaus mit Krankenschwesternschule. Als Pubertierender ist das durchaus zu empfehlen. (Ljubiša Tošić und Thomas Trenkler, DER STANDARD, 16./17.3.2013)