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94 Balancefläschchen gehören zur Grundausstattung der Aura-Soma-Therapie.

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94 rechteckige Glasfläschchen (Balanceflaschen), 14 einfarbige Tinkturen (Pomander) und weitere 14 einfarbige Duftessenzen (Quintessenzen) sind das Werkzeug des Aura-Soma-Therapeuten. Mit den Schwingungen von Farbe und Licht soll die Aura von Menschen geheilt werden.

Als ganzheitliche, feinstoffliche Aura- und Seelentherapie wird Aura Soma bezeichnet. Die Kombination aus Licht- und Farbtherapie soll das Wohlbefinden und die Lebensfreude steigern, zwischenmenschliche Beziehungen verbessern und Blockaden lösen. Zudem beeinflusst diese seelisch-energetische Harmonisierung angeblich auch physische Heilungsprozesse positiv. Das alles soll eine heilende Wirkung auf die menschliche Aura haben: Dieser sogenannte Seelenspiegel ist ein farbiges Schwingungsfeld, das den Menschen in schillernden Regenbogenfarben umgibt und dessen Gefühle widerspiegelt. Nicht jeder soll die Aura sehen können, nur das geschulte Auge dazu in der Lage sein.

Intuitive Farbwahl

Zur Grundausstattung der Aura-Soma-Therapie gehören die 94 Balanceflaschen. Sie sind mit farbiger Schwingungsenergie gefüllt, zu je einer Hälfte mit buntfarbigem Öl und zur anderen Hälfte mit gleichem oder andersfarbigem Wasser. Der Klient selbst wählt intuitiv vier Farbkombinationen aus. Der Aura-Soma-Berater weiß dessen Vorlieben anschließend zu interpretieren und gibt anhand der Farbwahl Auskunft über Persönlichkeitsmerkmale, eventuelle Probleme, mögliche Lebensaufgaben und Zukunftsperspektiven.

Diagnostische Hinweise geben nicht nur die Farbe, sondern auch die Bläschen, die durch ritualisiertes Schütteln der Öl-Wasser-Mischung entstehen. Auf die Haut aufgetragen, erreichen die rein pflanzlichen oder mineralischen Wirkstoffe über Lymph- und Blutgefäße außerdem kranke Körperregionen, die einer Heilung bedürfen.

Kontrastreiche Stimulation

"Eine Wirkung von Aura Soma über die Haut ist völlig unplausibel, da der Mensch für Farben nur das Auge als Rezeptor besitzt", sagt Heiko Hecht vom Psychologischen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Entgegen der Meinung von Anhängern der Aura-Soma-Behandlung hält Hecht eine Farbwirkung auf blinde Menschen daher für unmöglich. Er bezeichnet Farbtherapien als reine Stimulationstherapien, die auf dem Angebot stark variierender Farbreize beruhen. "Wenn ich jemandem zuerst stark flackernde bunte Farben anbiete und anschließend sanfte Farbtöne, dann hat das sicher eine beruhigende Wirkung. Diese ist aber nicht durch die Farben selbst bedingt, sondern durch den angebotenen Kontrast."

Die angebliche Wirkung von Farben wird jedoch nicht nur parawissenschaftlich genutzt, sondern findet auch in ganz anderen Bereichen ihre Anwendung. Das berühmte grüne Tischtuch bei der Matura beispielsweise soll den Prüfungskandidaten Hoffnung geben und ihnen die Prüfungsangst nehmen. Die rosa Gefängniszelle soll den aggressiven Inhaftierten besänftigen. Ob in Krankenhäusern oder Bürogebäuden: Farbgestaltung ist immer ein Thema.

Frage der Ästhetik

"Farben wirken nicht biologisch, sondern durch den kulturellen Kontext", sagt Hecht und verweist als Beispiel auf die Farbe Gelb, die in der westlichen Welt für Neid und Eifersucht steht, in Japan dagegen für Mut und Stärke. Farbgestaltung ist für Hecht eine Frage der Ästhetik, von einer Postulierung universaler Farbwirkungen sieht er ab.

Der Frage, wie rosa Gefängniszellen auf Inhaftierte wirken, ist er selbst nachgegangen. In einer Studie hat er die Wirkung von Baker-Miller-Pink auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Stimmung von Schülern untersucht. Seine Skepsis wurde bestätigt: "Es konnten keine signifikanten Auswirkungen auf Leistung oder Stimmung gezeigt werden." Die Schweizer Pilotstudie dazu bezeichnet Hecht als nicht wiederholbares Zufallsergebnis.

Prozess der Farbkonstanz

Der Grund, warum die Farbe Rosa keine besänftigende Wirkung hat, liegt in der Fähigkeit des Menschen zur Adaption. "Wenn Farbe einen Effekt hätte, dann wäre dieser so oder so spätestens nach drei Tagen verschwunden", sagt Hecht und ergänzt: "Gäbe es diesen Prozess der Farbkonstanz nicht, dann wäre der Mensch beispielsweise außerstande, die Farbe Rot sowohl im hellen Sonnenlicht als auch im Neonlicht als Rot wahrzunehmen."

Grundlage der Aura-Soma-Therapie ist jedoch auch die Theorie, dass Lieblingsfarben immer Ausdruck des inneren Selbst sind. Ganz falsch liegt die parawissenschaftliche Methode hier nicht, bestätigt Hecht: "Die Farbwahl bei Kleidung beispielsweise macht auf jeden Fall Rückschlüsse auf die Psyche möglich." Allerdings ist auch hier der kulturelle Hintergrund für eine Interpretation von Bedeutung.

Poltergeist-Phänomene verschwinden

Dass die bunten Fläschchen umgekehrt seelische und körperliche Beschwerden lindern, ist für Hecht nicht nachvollziehbar. Beschreibungen im Internet machen den Glauben daran dem Laien auch schwer. So soll der rote Pomander Überlebensängste lindern, Poltergeist-Phänomene zum Verschwinden bringen und elektromagentische Polaritäten im Körper ausgleichen. Und mit den Quintessenzen lassen sich gar spirituelle Verbindungen zu hoch entwickelten Seelen, sogenannten Meistern, herstellen. Die hellblaue Quintessenz El Morya soll auf diese Weise Klärung für Menschen bringen, die nicht gut auf ihre Eltern zu sprechen sind.

Viele Menschen finden in der populären Heilungsmethode jedenfalls das, was sie suchen, und lassen sich das auch einiges kosten. Ein Balancefläschchen mit 50 Milliliter Inhalt kostet circa 30 Euro. Über deren Heilkraft lässt sich streiten, über die Schönheit der Farbkombinationen nicht. (Regina Walter, derStandard.at, 29.3.2013)