Madrid - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern, Donnerstag, das spanische Verfahren zur Zwangsräumung von Wohnungen für unrechtmäßig erklärt. "Die spanischen Rechtsvorschriften widersprechen dem Unionsrecht, soweit sie dem Gericht, das über die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel über einen Immobiliarkredit befindet, verwehren, das anderweitig eingeleitete Hypothekenvollstreckungsverfahren auszusetzen", heißt es in der Urteilsbegründung.

Der Prozess geht auf die Anfrage eines Richters aus Barcelona zurück. Er musste über einen Fall befinden, bei dem die Zwangsräumung vollstreckt worden war, obwohl der Betroffene, ein marokkanischer Einwanderer, gegen die Sparkasse Catalunyacaixa geklagt hatte, weil der Kreditvertrag seiner Ansicht nach missbräuchliche Klauseln enthielt. Beide Verfahren (Zwangsräumung und Vertragsüberprüfung) sind nach spanischem Recht voneinander unabhängig, die Räumung wird durch die Klage gegen die Kreditvertragsbedingungen nicht aufgeschoben. Schlimmer noch: "Wenn eine hypothekarisch belastete Sache endgültig einem Dritten - etwa einer Bank - zugeschlagen wird, kann das im spanischen Vollstreckungsrecht grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden", analysiert das EU-Gericht. Das verstoße eindeutig gegen EU-Verbraucherrecht.

"Das bisherige spanische Gesetz schützt den Starken der beiden Vertragspartner", erklärte die Sprecherin der Plattform der Opfer der Hypotheken (PAH) Ada Colau anlässlich der Urteilsverkündung. "Nach vier harten Jahren bekommen wir endlich recht", zeigt sie sich zufrieden.

Das EuGH-Urteil muss von den spanischen Gerichten sofort umgesetzt werden. Das zögert viele Räumungsverfahren zumindest bis zur Prüfung des Kreditvertrags hinaus. In den vergangenen vier Jahren wurden über 330. 000 Räumungsverfahren eingeleitet, 600 durch Proteste verhindert.

"Die Regierung muss jetzt umdenken", fordert Colau. Ihre PAH hat mit anderen Organisationen und Gewerkschaften ein von 1,4 Mio. Bürgern unterschriebenes Volksbegehren im Parlament eingebracht. Der Gesetzesentwurf liegt beim Wirtschaftsausschuss. Er sieht einen sofortigen Stopp aller Räumungen, Sozialmieten für bereits Geräumte sowie einen kompletten Schuldenerlass bei Zwangsräumung vor. Bisher gibt es den nicht. Die Bank versucht die Wohnung zu versteigern oder nimmt sie zum aktuellen Marktwert zurück. Der Rest der Hypothek muss weiterbezahlt werden. (Reiner Wandler, DER STANDARD, 15.3.2013)