Wien/Luxemburg/Schwechat - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Anrainern des Flughafens Wien die Chance auf Schadenersatz wegen einer Wertminderung ihrer Häuser eröffnet. Allerdings müssen sie dazu nachweisen, dass die Tatsache, dass beim Ausbau des Flughafens keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt wurde, Ursache für die Wertminderung ihres Eigentums ist.

Grundsätzlich, sagt der EuGH in einem heute Donnerstag veröffentlichten Urteil (C-420/11), muss die UVP nicht eine Wertminderung von Liegenschaften im Umkreis des Flughafens beurteilen, sondern die Auswirkung von Lärm auf Menschen. Allerdings schützt die EU-Richtlinie "Vermögensschäden, soweit sie die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen von Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt sind", hält der EuGH fest. Außerdem weist das Gericht der EU darauf hin, dass es einen Rechtsanspruch auf die UVP gibt, der in diesem Fall nicht erfüllt wurde.

Der EuGH wurde vom Obersten Gerichtshof (OGH) mit der Situation am Flughafen Wien befasst. Der Flughafen wurde seit 1995 (Beitritt Österreichs zur EU) mehrmals erweitert, ohne dass es eine UVP gab. Die Anrainerin Jutta Leth, Obfrau eines Dachverbandes von Bürgerinitiativen, hat über ihren Anwalt Wolfram Proksch wegen Wertminderung ihres Hauses - das sie schon lange vor 1995 bewohnt hat - die Republik auf 120.000 Euro Schadenersatz geklagt. Der OGH hat dann den EuGH um Auslegung von EU-Recht im Zusammenhang mit diesem Fall gebeten.

Betroffene gesucht

Leths Anwalt Proksch ist zuversichtlich, dass er den kausalen Zusammenhang zwischen fehlender UVP und Wertminderung am Haus seiner Mandantin nachweisen kann. Seine genaue Strategie wollte zwar nicht preisgeben, aber seine Überlegungen gehen in zwei Richtungen: So hätte eine UVP eventuell eine Verbesserung bei Flugrouten oder ein Nachtflugverbot ergeben können, was den Wert des Hauses weniger stark fallen hätte lassen. Und andererseits hätten manche Leute auf den Ankauf eines Hauses in dem Gebiet vielleicht verzichtet, wenn sie durch eine UVP über mögliche Probleme informiert worden wären. "Vielleicht haben manche Menschen in der Erwartung gebaut, dass kein Flugverkehr kommt" meint Proksch. Und wer schon länger hier wohnt, hätte vielleicht früher und damit teurer verkaufen können.

Denn Proksch, Anwalt der Kanzlei PFR, denkt über die Anliegen seiner Mandantin hinaus: Ab heute sucht er weitere Betroffene, um eine Sammelklage auf die Beine zu stellen. "Wir sind bereits in Verhandlungen mit Prozessfinanzierern", sagte er. In den nächsten Wochen werde er absehen können, welche Dimensionen das annimmt, aber die 24 Bürgerinitiativen rund um das Thema Flughafen Wien haben "hunderte Mitglieder", die sich anschließen könnten, hofft Proksch. (APA, 14.3.2013)