Bild nicht mehr verfügbar.

TU-Wien-Rektorin Sabine Seidler befürchtet durch die Studienplatzfinanzierung eine Verschlechterung der Situation für Studierende und Lehrende.

Foto: apa/Schlager

Wien - Die Technische Universität (TU) Wien verzichtet auf Aufnahmeverfahren in den Studienfeldern Architektur/Städteplanung und Informatik, deren Einführung der Testlauf zur Studienplatzfinanzierung ermöglichen würde. Gleichzeitig werde die TU den vom Wissenschaftsministerium vorgelegten Zusatz zur Leistungsvereinbarung als einzige Universität nicht unterschreiben, erklärte Rektorin Sabine Seidler in einer Aussendung am Donnerstag.

Dieser Zusatz legt fest, wie viele Anfänger-Studienplätze die Universitäten in den betroffenen Studienfeldern anbieten müssen. "Ich unterschreibe nicht, weil wir nicht bestätigen können, dass wir für dieses verpflichtende Angebot von Studienplätzen auch die Ressourcen haben", erklärte Seidler. "Das ist Fairness gegenüber zukünftigen Studierenden."

Testlauf in fünf Studienfeldern

Der Testlauf zur Studienplatzfinanzierung betrifft insgesamt fünf Studienfelder (Architektur und Städteplanung, Biologie und Biochemie, Informatik, Pharmazie sowie Wirtschaft), die zusammen 28 Fächer umfassen. In diesen Feldern wurde die Mindestzahl der Studienanfänger per Gesetz festgelegt, die Verteilung auf die einzelnen Unis beziehungsweise Fächer sollte durch Verhandlungen zwischen dem Wissenschaftsministerium und den Universitäten festgelegt werden.

Überschreitet die Zahl der Studienwerber die Mindestzahl der Studienplätze, dürfen die Universitäten Aufnahmeverfahren durchführen. An der TU Wien werden von diesen Feldern nur Architektur und Informatik angeboten.

Mindestzahl "viel zu hoch"

Die vom Ministerium vorgelegte Mindestzahl sei "viel zu hoch, unrealistisch und hat mit den tatsächlichen Kapazitäten nichts zu tun", argumentiert die TU. Die Zahlen seien nicht akzeptabel. "Wenn es in die Nähe unserer Kapazitäten gegangen wäre, hätten wir es gemacht", erklärte das Rektorat. Die neuen Beschränkungen brächten jedoch keine Entlastung in überlaufenen Fächern. "Im Gegenteil: Sie verschlimmern die Situation für Studierende und Lehrende."

Seidler: "Mogelpackung"

Die vom Ministerium angekündigten zusätzlichen 95 Professuren in allen Studienfeldern zur Verbesserung der Betreuungsverhältnisse bezeichnete Seidler als "Mogelpackung": "Es fehlt die Verknüpfung der Zahl von BeginnerInnen (Studienplätzen) und prüfungsaktiver Studierender. Das ist deshalb so wichtig, weil das viel zitierte verbesserte Betreuungsverhältnis auf Basis der Anzahl prüfungsaktiver Studierender ermittelt wird."

Die Architektur und Raumplanung verfügt laut TU über Kapazitäten für rund 535 Studienanfänger, das Ministerium habe jedoch 1.030 Anfänger vorgegeben. In der Informatik könnten 509 Anfänger realistisch betreut werden, die Vorgabe betrage aber 980.

Bestehende STEOP wird weitergeführt

Die Entscheidung der TU bedeutet, dass es weiterhin einen unbeschränkten Zugang an der Uni gibt - "nicht jedoch unbeschränkte Plätze", betont man: "Daraus folgt, dass in den beiden Studienfeldern Pläne umgesetzt werden müssen, um zu realistischen AnfängerInnenzahlen verknüpft mit einem qualitativen Betreuungsverhältnis zu kommen", erklärte der Vizerektor für Lehre, Adalbert Prechtl. Bereits abgeschlossene Vorarbeiten zu Aufnahmeverfahren und intern vorliegende Konzepte "dienen der Vorbereitung für kommende Studienjahre und sind damit keinesfalls obsolet". Die bestehende Studieneingangs- und -Orientierungsphase (STEOP) werde wie gehabt weitergeführt.

Töchterle: "Nicht nachvollziehbar"

Beu Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle stößt der Schritt der TU Wien auf Unverständnis: "Die Entscheidung der TU Wien liegt in ihrer Eigenverantwortung, jedoch gerade im Bereich der Architektur ist sie nicht nachvollziehbar", so der gerade in Südamerika weilende Minister in einer Stellungnahme. Er habe bereits mehrmals betont, dass eine von der TU de facto geforderte Halbierung der Zahl der Studienanfänger nicht zur Diskussion stehe: "Das wurde auch mit dem Koalitionspartner so vereinbart."

"Schrittweise Annäherung"

Wenn die Zahl der Studienanfänger an der TU Wien konstant bleibe bzw. dem Trend der Vergangenheit entspreche, würde diese im Wintersemester 2013/20014 "deutlich über den vorgeschlagenen Zahlen des Wissenschaftsministerium liegen". Der Ministeriums-Vorschlag bedeute eine "schrittweise Annäherung an ideale Betreuungsverhältnisse und hätte für die TU Wien eine spürbare Entlastung" von minus 28 Prozent bei den Studienanfängern im Bereich Architektur gebracht, hieß es weiter: "Die TU Wien wollte aber offensichtlich alles und das sofort." Der Schritt der Universität werde die Situation an der Architektur nicht verbessern, zumal die anderen Universitäten, an denen Architektur angeboten wird, angekündigt hätten, von den Zugangsregelungen Gebrauch zu machen.

Auswirkungen auf andere Unis

Der Schritt der TU hat aber unter Umständen durchaus Auswirkungen auf die anderen Unis: An der Universität Wien hieß es auf APA-Anfrage, dass nun die Situation in der Informatik, wo die Uni Wien Aufnahmeverfahren geplant hat, "neu bewertet werden muss". Dies werde in den kommenden Tagen geschehen. Auch die TU Graz will sich "alle Optionen offenhalten". Die Uni Graz hält dagegen an ihren Aufnahmeverfahren fest, an der Uni Innsbruck hat man sich "nach derzeitigem Stand" sogar entschlossen, entgegen den bisherigen Plänen außer in Wirtschaftswissenschaften und Architektur auch ein Aufnahmeverfahren in Pharmazie durchzuführen. Allerdings könne sich dies aufgrund der aktuellen Entwicklungen auch wieder ändern.

Auch die Uni Salzburg hat sich gegen ein Aufnahmeverfahren entschieden. Rektor Heinrich Schmidinger begründete dies Anfang März mit den dafür zu geringen Studentenzahlen. Von der Rektorenvertretung heißt es gegenüber derStandard.at, dass bisher nicht bekannt sei, dass andere Universitäten dem Beispiel der TU Wien folgen werden.

ÖH begrüßt Schritt

Die HochschülerInnenschaft (ÖH) an der TU begrüßte den Schritt in einer Aussendung: Dieser "sollte von anderen Universitäten jetzt wiederholt werden". Die Zugangsbeschränkungen, die Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle als Lösung präsentiert habe, "wurden an der TU Wien als das entlarvt, was sie sind, eine Mogelpackung". Die ÖH auf Bundesebene hat in einer Aussendung am Donnerstag aus der Entscheidung der TU Wien den Schluss gezogen, dass die "Strategie von Töchterle, die Verantwortung an die Universitäten abzuwälzen, wieder einmal gescheitert" ist. Die stellvertretende ÖH-Vorsitzende Janine Wulz fordert einen Ausbauplan für alle Hochschulen. Auch die Bundes-ÖH fordert die anderen Universitäten auf, es der TU Wien gleichzutun. "Die Universitäten sollten sich dagegen wehren, Marionetten von Töchterle und seinem Gesetzesflickwerk zu sein", so Wulz. (APA/red, derStandard.at, 14.3.2013)