Graz - Patienten mit tachykarden Herzrhythmusstörungen wie beispielsweise Kammerflimmern bekommen Defibrillatoren (ICD), die wie ein Herzschrittmacher im Brustbereich implantiert werden. Im Notfall gibt der "Defi" einen elektrischen Schock ab, der das lebensbedrohliche Flimmern beendet. Um die Geräte zu verbessern, forschen Wissenschafter der Universität Graz und Med-Uni Graz an der Simulation eines virtuellen Herzens, meldete die Universität Graz am Mittwoch.

Durch das "Schocken" werden Stromstöße abgegeben, die auf das erkrankte Herz einwirken. Dabei sollte der Stromstoß so effizient wie möglich, aber zugleich so schwach wie möglich sein. "Nur Mediziner können aufgrund ihres Wissens abschätzen, wie stark die Stromstöße verabreicht werden müssen, damit der Herzrhythmus stabilisiert wird", betont Karl Kunisch, Leiter des Instituts für Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen.

Inadäquate Schockabgaben

Kunisch uns sein Team arbeiten seit 2007 im Rahmen des Spezialforschungsbereiches "Mathematische Optimierung und Anwendungen in der Biomedizin" daran, Phänomene in der Biophysik, Physiologie, Medizin und Physiologie mathematisch zu beschreiben. Durch mathematische Modelle und daraus resultierende Simulationen können Mediziner und Entwickler der medizintechnischen Geräte zu Daten kommen, die in der klinischen Praxis kaum oder gar nicht zu ermitteln wären.

"Implantierbare Defibrillatoren funktionieren heute im Akutfall sehr zuverlässig und äußerst sensitiv. Das kann aber dazu führen, dass gelegentlich eine Tachykardie 'erkannt' wird, obwohl zu diesem Zeitpunkt gar keine Kammerflimmern vorliegt. Dann kommt es zu sogenannten inadäquaten Schockabgaben, die für den Patienten sehr schmerzhaft sein können", schilderte Gernot Plank, Biophysiker an der Med-Uni Graz. 

Eine Frage des Timings

Für die Frage, welches Timing oder auch welche Defibrillationsenergie für den jeweiligen Patienten am geeignetsten erscheint und den besten Erfolg verspricht, könnten daher Computermodelle - sogenannte In-silico-Modelle - wertvolle Hinweise liefern, so Plank. Mithilfe von partiellen Differenzialgleichungen wird zum Beispiel simuliert, wie sich elektrische Impulse im Herzen fortpflanzen.

Plank und seine Kollegen von der Universität Graz sehen in der Entwicklung eines "virtuellen Herzens" viele Anwendungspotenzial: Mit In-silico-Modellen könne das Herz bis auf die die zelluläre Ebene simuliert und biochemische Prozesse und Veränderungen "nachgebaut" werden, so die Grazer Forscher. (APA/red, derStandard, 13.3.21013)