Einmal das Rotkäppchen gefressen und die sieben Geißlein angeknabbert - und schon ist das Image dahin. Für den wilden Urahn des Hundes wird eine Rückkehr nach Österreich schwer werden.

Foto: Matthias Cremer

Wien - Kaum ein Tier wurde in Österreich so brutal gejagt wie der Wolf (Canis lupus). 1882 war das blutige Gemetzel vollendet, in der Steiermark erlosch das letzte Rudel der Tiere. Die Tage des wilden Urahns des Hundes waren in dem Moment gezählt, als er sich an den Haustieren der Menschen vergangen hatte. Dabei geschahen die Übergriffe aus schierer Not: Die sich rapide ausbreitende Landwirtschaft machte auch vor den Revieren der Raubtiere nicht halt, und die Wölfe fanden in leergejagten Wäldern kaum mehr Beute.

Transitroute Österreich

Doch nun scheint mit entsprechend scheuen Schritten ein Stück Wildnis heim nach Österreich zu kehren. In fast allen Nachbarländern gibt es bereits aufblühende Wolfpopulationen - was auch zu vermehrten Wolfsichtungen in Österreich führt. Nachgewiesen wurden 2010 sieben einzelne Individuen, 2011 waren es drei. Noch wird Österreich von den Wölfen vorwiegend als Transitroute genutzt. Doch Experten rechnen damit, dass sich in den kommenden Jahren mehr und mehr Wölfe auch bei uns wieder "rudelwohl" fühlen werden. Beweis dafür ist etwa jener "Wiener" Wolf, der seit gut zwei Jahren in dem Gebiet rund um den Schneeberg daheim ist.

Um dem Wolf keinen Bärendienst zu erweisen, hat nun die "Koordinierungsstelle für den Braunbären, Luchs und Wolf" (KOST) - ein länderübergreifendes Gremium, bestehend aus Wildbiologen, Vertretern der Jägerschaft und der Politik - einen speziellen "Wolfs-Managementplan" erarbeitet. Ziel ist es, Strukturen und Maßnahmen für ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben von Mensch und Wolf zu schaffen. "Der Wolf steht vor der Haustüre. Keiner kann sagen, wie weit wir vom ersten österreichischen Wolfsrudel entfernt sind. Daher war es sinnvoll, sich jetzt einen entsprechenden Maßnahmenkatalog zu überlegen", erläutert Georg Rauer, Wildbiologe, Bärenanwalt und Wolfsbeauftragter.

Eine entsprechende Betreuung sei unbedingt notwendig. Rauer: "Als Fleischfresser, der sich vor allem von Wild, aber manchmal eben auch von einzelnen Nutztieren ernährt, sind Konflikte programmiert. Die Gefahr von Rissen ist beim Wolf sicher deutlich höher als beim Bär." Die neuen Leitlinien sollen daher helfen, die Bundesländer auf möglichst alle vierbeinigen Eventualitäten vorzubereiten: rechtliche Grundlagen, Artenschutzbestimmungen, Präventionsberatung, Monitoring, Umgang mit möglichen Schäden. Und vor allem auch Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung.

Problem Mensch

Eine Rückkehr des Wolfes würde auch Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal, Mitbegründer des Wolf Science Center (WSC) in Ernstbrunn in Niederösterreich, begrüßen: "Wir sehen, dass überall dort, wo Wölfe leben und einigermaßen in Ruhe gelassen werden, die Wildbestände gesünder sind. Wölfe haben sehr wohl eine ökologische Funktion."

Aber ein gedeihliches Miteinander zwischen Mensch und Wolf sei ein " Riesenproblem". Kotrschal: "Das Problem ist nicht der Wolf, sondern der Mensch. Diverse Interessengruppen haben eben wenig Freude mit dem Wolf." Was "einfach nur lächerlich" sei, sagt Kotrschal: "Wir muten Asiaten und Afrikanern zu, für uns die Elefanten zu schützen." Dabei kämen jährlich " viele Menschen um durch diese Viecher". "Und wir wären bei uns nicht fähig, mit heimischen Beutegreifern wie Wolf oder Bär zu leben." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 13.3.2013)