Wien - Netzwerke und Seilschaften zwischen Nationalsozialisten, auch nach Ende des Krieges, die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit knapp nach dem Ende des Regimes, die Kontinuität in der Forschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie die Schicksale vieler Mitarbeiter der zur Akademie gehörenden Institute: Diese Fragen wurden am Montag beim eintägigen Symposium zur Geschichte der Akademie im Nationalsozialismus nicht beantwortet. "Wir haben uns heute sehr gut kennengelernt, aber es muss weitergehen", erklärte der Präsident der ÖAW, Helmut Denk, bei der abschließenden Podiumsdiskussion am Abend.

Noch in den kommenden Wochen will Vizepräsident Arnold Suppan daher einen "weiteren Fahrplan" für die Aufarbeitung vorlegen. Vor allem die Zeit kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als mit der eigenen NS-Vergangenheit "nonchalant umgegangen" wurde, verdiene eine eingehendere Betrachtung, erklärte Herbert Matis, Mitglied der Projektgruppe, die die bisher vorliegenden Ergebnisse recherchiert hat. Auch die Seilschaften zwischen den nationalsozialistisch belasteten Mitgliedern müssten ebenso wie Netzwerke und Mikrostrukturen genauer beleuchtet werden. Immerhin hätten sie auch in der Nachkriegszeit noch dafür gesorgt, "dass 15 bis 20 Prozent der neuen Mitglieder ehemalige Nationalsozialisten waren", so Matis.

Carola Sachse, Wissenschaftshistorikerin an der Universität Wien, wies jedoch darauf hin, dass verstärkt die Forschungsaktivität der Mitglieder anstelle ihrer Biografien zu untersuchen sei. "Irgendwann wissen wir, dass sie großteils Antisemiten waren. Das wird redundant." Mitchell Ash, ebenfalls Wissenschaftshistoriker an der Uni Wien, würde sich vor allem eine Untersuchung der Akademie als Repräsentationseinrichtung, Vernetzungsinstanz und Verteiler von wissenschaftlicher Reputation im Laufe des 20. Jahrhunderts und die Auswirkung dieser Funktionen wünschen.

Vergleich mit ähnlichen Institutionen

Das vergleichende Element zwischen der Vorgehensweise der ÖAW und anderen ähnlichen Institutionen möchte Heidemarie Uhl, Historikerin und Projektgruppenmitglied, in Zukunft suchen. "Nur so können wir mehr über unsere eigene Institution erfahren", erklärte sie. Sachse, die mehrere Jahre mit der Leitung der Aufarbeitung der NS-Geschichte der deutschen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute: Max-Planck-Institut) betraut war, lieferte zumindest einen Vergleich der Aufarbeitungsmethodik: "Es gibt gewisse essenzielle Dinge der Aufarbeitung", meinte sie.

Dazu zählt die Historikerin eine untersuchende Instanz, die nicht aus der Institution selbst kommt, ein eigenes Publikations- und Presserecht für das Forschungspersonal, einen völlig freien Aktenzugang, auch über die Laufzeit des Projektes hinaus, sowie eine gesicherte Finanzierung durch die Institution selbst. "Wir hatten damals einen Etat von etwa einer Million Euro pro Jahr Laufzeit", schilderte sie. Suppan bezifferte die Gesamtkosten für die vorliegenden Ergebnisse samt Katalog dagegen auf 40.000 bis 45.000 Euro. Der freie Aktenzugang sei zwar gewährt, unterliege aber einer 30-jährigen Archivsperre nach dem Archivgesetz.

Matis argumentierte hingegen, dass eine von außen kommende Instanz im Fall der Akademie vielleicht nicht zweckdienlich sein könnte: Um die Geschichte zu untersuchen, müsse man auch "interne Abläufe und Grundregeln verstehen, die für Außenstehende eher nicht so leicht zugänglich sind."

Untersuchung der Kontinuitäten

Einig waren sich jedoch alle Diskussionsteilnehmer, dass es einer dringenden Untersuchung der Kontinuitäten an der ÖAW, aber auch in den Eliten Österreichs vor, während und nach dem Zweiten Weltkriegs bedürfe, wie vor allem Gary Cohen, Österreich-Historiker an der Universität von Minnesota, betonte. "Diese Forschungen fehlen in Österreich noch weitgehend", stimmte ihm Suppan zu. Man müsse auch bei den historischen Machtstrukturen und ihren Auswirkungen auf das Denken und die Mentalität der Bevölkerung ansetzen.