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Seit Jahren ist die Djindjic-Gedenkstatue in Prokuplje, rund 250 Kilometer südlich von Belgrad, ein Anziehungspunkt für jene Serben, die ihr Land als vollwertigen Teil Europas sehen möchten.

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"Wenn jemand glaubt, den Vollzug der Gesetze wirklich aufhalten zu können, indem er mich beseitigt, dann irrt er sich gewaltig, denn ich bin nicht das System", sagte Zoran Djindjić am 21. Februar 2003 nach einem misslungenen Attentat auf ihn. "Das System wird weiter funktionieren. Niemand wird für Verbrechen amnestiert, wenn er einen oder zwei Staatsfunktionäre beseitigt."

Doch hier irrte er: Als ihn genau vor zehn Jahren, am 12. März 2003, im Zentrum Belgrads ein Scharfschütze direkt ins Herz traf, stellte sich heraus, dass das serbische System politischer und wirtschaftlicher Reformen doch von der Energie eines Mannes abhing. Gleiches galt für die Demokratisierung des Landes und die Anpassung an das europäische Wertesystem nach einem Jahrzehnt internationaler Isolation.

Ein Jahrzehnt fauler Kompromisse

Nach der Ermordung Djindjićs, der kompromisslos für ein "modernes Serbien als Mitglied der EU" stand, verfiel das Land in ein Jahrzehnt der politischen Instabilität voller fauler Kompromisse – in ein strategisches Herumirren zwischen Moskau und Brüssel. Diese Zeit prägte die "Kohabitation" zwischen den proeuropäischen Nachfolgern des Reformpremiers und nationalistischen Kräften, die schleppende Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal und die Relativierung der serbischen Verbrechen im jugoslawischen Krieg.

Djindjić wurde von Mitgliedern serbischer Spezialeinheiten ermordet, die auch Anführer der organisierten Kriminalität waren. Als erster Premier nach der demokratischen Wende im Oktober 2000 hatte er keine Kontrolle über Teile des Sicherheitssystems, das das Rückgrat der repressiven Politik von Slobodan Milošević war. Obwohl die unmittelbaren Täter des Mordanschlags entweder in einer Polizeiaktion erschossen oder zu Haftstrafen verurteilt wurden, sind die Ermittlungen nach den Auftraggebern praktisch eingestellt worden. Die Tat wurde auf ein Mafiaverbrechen heruntergestuft.

Erzfeinde an der Macht

Ein Jahrzehnt nach Djindjićs Ermordung befindet sich dessen Demokratische Partei (DS), durch innere Machtkämpfe erschüttert, auf einem historischen Tiefstand. An der Macht sind seine Erzfeinde: die von Milošević gegründete Sozialistische Partei Serbiens (SPS) und die Serbische Fortschrittspartei (SNS). Es sind dieselben Leute, die noch vor wenigen Jahren den Zoran-Djindjić-Boulevard nach Ratko Mladić umbenennen wollten, dem bosnisch-serbischen Exgeneral, dem vor dem UN-Tribunal der Prozess gemacht wird. Es sind dieselben Leute, die Djindjic als "Verräter" und "Spion der USA" beschimpften. Heute befürworten aber auch sie eine Mitgliedschaft Serbiens in der EU – und das könnte als politisches Erbe von Djindjić bezeichnet werden.

Doch es fehlt der ansteckende Enthusiasmus, den Djindjić verbereitete, als er sagte: "Wie einen Menschen, der sich 50 Jahre lang nach Luft sehnt, so kann auch Serbien heute niemand stoppen auf seinem Weg zum Sauerstoff. Und der ist Europa." Die einen mythisieren Djindjić, die anderen dämonisieren ihn – den meisten fällt er aber an seinem Todestag bloß als "einstiger Hoffnungsträger" ein, der Serbien um jeden Preis verändern wollte. (Andrej Ivanji, DER STANDARD, 12.3.2013)