Wien - "Die Enthüllungen über das Agieren der Verantwortlichen bei den Wiener Philharmonikern bestätigen die schlimmsten Befürchtungen", kommentierte am Montag der Grüne Abgeordnete Harald Walser die neuen Erkenntnisse, dass es sich beim Überbringer eines Ehrenring-Duplikates im Jahr 1966 an den verurteilten NS-Kriegsverbrecher Baldur von Schirach um den damaligen Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker Helmut Wobisch gehandelt habe. "Somit ist klar, dass die Überreichung keine Einzelaktion, sondern eine bewusste Inszenierung des damaligen Orchester-Vorstands war", so Walser in einer Aussendung.

"Notwendigkeit einer Historikerkommission bestätigt"

Walser, der in den vergangen Jahren immer wieder Kritik am Umgang des Orchesters mit seiner NS-Vergangenheit geübt hatte, verweist auf viele, nach wie vor vorhandenen Forschungslücken. So fehlten nach wie vor einzelbiografische Studien zu den NS-Opfern der Philharmoniker oder den Gastdirigenten seit 1933: "Außerdem wissen wir kaum etwas über viele Lebensläufe von Philharmonikern zwischen 1938 und 1945, ihre jeweilige Situation während des Nationalsozialismus sowie danach. Vor allem aber gibt es bislang keine fundierte Studie zu den Provenienzen von Instrumenten, Noten etc." Auch bezüglich "neuer Dokumente aus der NS-Zeit" gebe es Aufklärungsbedarf. "Alles in allem ist daher klar, dass sich die Notwendigkeit der umfassenden Aufarbeitung der Orchestergeschichte durch eine unabhängige Historikerkommission erneut bestätigt hat", schreibt Walser.

Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb, der gemeinsam mit seinen Kollegen Fritz Trümpi und Bernadette Mayrhofer die gestern Abend auf der Orchester-Homepage online gegangenen Texte erarbeitet hatte, hat gestern betont: "Wir haben keinen einzigen Text vorher vorgelegt." (APA, 11.3.2013)