Wien - Eine Magenoperation kann Menschen mit Fettleibigkeit helfen, doch die Gefahr, dass sie danach eine Essstörung entwickeln, ist groß, berichtete am Freitag Johann Kinzl von der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin in Innsbruck. Grund sind bereits vor dem Eingriff vorhandene Essstörungen, das Zurückfallen auf alte Ernährungsmuster beziehungsweise die Entwicklung eines "zwanghaften Verhaltens, weil sie nicht mehr essen können".

"Die Probleme treten oft nach der sogenannten Honeymoon-Phase auf, etwa 18 bis 24 Monate nach der OP, manchmal bereits nach einigen Wochen", erklärte Kinzl. Vergleichbar sei dies mit einem Herzinfarktpatienten, der sich "ein Jahr brav an die gesunde Lebensweise hält, aber dann treten die alten Muster wieder auf". "Jede Veränderung, die stattfindet, erfordert eine enorme Anpassungsleistung."

Inklusive Körperschemastörung

Die Betroffenen haben meist eine lange Vorgeschichte: 49 Prozent der Anwärter für eine Magenverkleinerung, einem Magenband oder einen -bypass sind sogenannte Chronic Overeaters. "Das sind Leute, die einfach gerne essen. Die wollen auch nichts daran ändern, müssen aber, weil sie etwa einen Herzinfarkt erlitten haben", so Kinzl. Die zweitgrößte Gruppe machen mit 24 Prozent bereits die sogenannten Binge Eater aus, Menschen mit unkontrollierbaren, regelmäßigen Essanfällen. 20 Prozent sind Frust- bzw. Stressesser und 15 Prozent sind "Nascher", essen zu viel Süßes. Sechs Prozent der Betroffenen "Grasen" ("Grazing"), dabei wird beständig zu viel gegessen, man ist ständig auf der Suche nach Nahrung. Und drei Prozent haben das "Night Eating Syndrom", diese plündern gerne in der Nacht den Kühlschrank.

Nach einem Eingriff kann es zum alten (gestörten) Essverhalten kommen beziehungsweise können neue -störungen hinzukommen, meinte Kinzl. Einige würden ein anorektisches Syndrom entwickelt und ihre Nahrungsaufnahme massiv reduzieren, um "ja nicht mehr dick zu werden". "Sie beschäftigen sich den ganzen Tag mit Ernährung und ihrem Gewicht", auch kann eine Körperschemastörung hinzukommen.

Andere entwickeln ein bulimisches Verhalten: "Sie essen zwar, erbrechen danach jedoch wieder", erzählte der Wissenschafter. Manche Menschen bekommen nach der OP das Syndrom "Grazing": Sie versuchen die mit der Operation einhergehenden Einschränkungen zu umgehen, indem sie den ganzen Tag essen."

Sogar Süchte können nach einem Mageneingriff entstehen - als Ersatz, "weil sie ja nicht mehr essen können". Kinzl hat Fälle von Alkoholmissbrauch, Nikotinmissbrauch sowie Kauf- und Spielsucht beobachtet. (APA, 11.3.2013))