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Wolff: "Und am Ende des Tages verkaufst du auch mehr Autos."

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Standard: Platz fünf in der Konstrukteurs-WM, Platz neun durch Nico Rosberg in der Fahrer-WM. Das sind ja wohl nicht die Ansprüche von Mercedes in der Formel 1?

Wolff: In der Formel 1 befinden wir uns in einem extrem kompetitiven Umfeld. Alle Teams, die daran teilnehmen, haben hohe Ansprüche. Man muss schon ganz klar sagen, dass das vergangene Jahr nicht so verlaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat.

Standard: Gruppen von Aktionären sagen, dass Formel 1 keinen Sinn macht, viel zu teuer ist, in undemokratischen Ländern stattfindet, wo die Menschenrechte missachtet werden. Was sagen Sie dazu?

Wolff: Die Meinung von Teilhabern und Aktionären muss man akzeptieren, aber grundsätzlich entscheidet des Management. Die Formel 1 ist eine hochkomplexe Materie. Da geht es nicht nur um technologische Weiterentwicklung für die Serie, da geht es auch um Marketing. Formel 1 ist eine weltweit agierende Plattform, die größte Sportplattform der Welt, wenn man Olympische Spiele oder die Fußball-WM, die nur alle vier Jahre stattfinden, ausblendet. Aber wenn die sportliche Leistung nicht stimmt, ist auch der Gegenwert nicht gut. Wenn man den Anspruch erfüllt und vorne mitfährt, dann ist die Gegenleistung enorm, strahlt auf die Marke ab. Und am Ende des Tages verkaufst du auch mehr Autos.

Standard: Sie sind im Jänner zu Mercedes gekommen, da war ja vermutlich, was die kommende Saison betrifft, schon vieles auf Schiene. Wie weit greifen Sie noch ein?

Wolff: Es ist viel auf Schiene gewesen im technischen Bereich, aber wenn es einen Managementwechsel gibt und eine Eigentümerveränderung, dann bringt das eine gewisse Dynamik mit sich. Ich versuche, aus dieser Dynamik heraus auf die Leute einzuwirken, sie zu motivieren, zu rekalibrieren in ihrem Job, manche zu halten, manche zu verändern und manche reinzubringen. Ich verbringe 16 bis 18 Stunden am Tag in der Fabrik, beschäftige mich mit den Abläufen und versuche, den einen oder anderen vernünftigen Input zu geben.

Standard: Sie haben Anteile an Mercedes-GP und am Williams-Team. Gibt es da keinen Interessenkonflikt? Es handelt sich ja eindeutig um eine Konkurrenzsituation.

Wolff: Die Situation ist sicher nicht so, wie ich es möchte. Ich war bei Williams ein aktiver Aktionär und bin es den Mitarbeitern und der Familie Williams schuldig, dass ich mich nicht von einem Tag auf den anderen verabschiede. Ich bin in keiner operativen Rolle mehr, aber nichtsdestotrotz ist das kein Idealzustand. Ich muss mit den Anteilen verantwortungsvoll umgehen, kann nicht an den Erstbesten verkaufen. Die Firma ist gut aufgestellt, und ich werde mich bemühen, dass ich diesen Interessenkonflikt so schnell wie möglich löse.

Standard: Wie viele Menschen haben Sie bei Mercedes zu koordinieren?

Wolff: In Formel 3, DTM und Formel 1 zusammen sind es ungefähr 1000 Personen. 700 davon arbeiten für die Formel 1. Das ist winzig. Der Konzern hat 280.000 Mitarbeiter, so gesehen ist das ein verschwindend kleiner Anteil. Aber wir spielen eine wichtige Rolle, sind in der Schaufensterauslage.

Standard: Wem sind Sie verantwortlich?

Wolff: Dem Aufsichtsrat von Mercedes-GP und dem Vorstand der Daimler-AG.

Standard: Dem Aufsichtsrat sitzt ja Niki Lauda vor. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Wolff: Reibungslos. Wir sind uns in den meisten Dingen schnell einig. Der Lauda hat den Zug aufs Tor. Wir sind befreundet und haben das gleiche Ziel, dieses Team so schnell wie möglich nach vorne zu bringen.

Standard: Wir kommt es, dass der Mercedes-Motor im McLaren traditionell gut funktioniert, und im Mercedes stimmte das Paket eher nicht?

Wolff: McLaren hat eine lange Racing-Historie, hat eine große Basis an Know-how und technischem Verständnis aufgebaut und weiterentwickelt. Mercedes war vorher Brawn und Honda, das Team ist durch vieler Eigentümer Hände gegangen. Es hat an der Nachhaltigkeit gefehlt.

Standard: Das heißt aber nicht, dass man Jahrzehnte braucht, um das aufzuholen?

Wolff: Nachhaltigkeit heißt, über einen gewissen Zeitraum und kontinuierlich und in Ruhe weiterzuarbeiten. Dazu hatte dieses Team in der Vergangenheit keine Gelegenheit. Aber jetzt muss es uns einfach gelingen. Es wird eine Sache von Monaten oder vielleicht wenigen Jahren sein, nachhaltig erfolgreich zu sein.

Standard: Was ist das vordringlichste Ziel?

Wolff: Nicht mehr peinlich zu sein, das ist der erste Schritt. Dass es nicht negativ auf den Konzern abstrahlt. Eine Weltmeisterschaft zu gewinnen ist wieder eine ganz andere Geschichte. Da gehören unheimlich viele Faktoren dazu, die zusammenspielen müssen, und das ist der nächste Schritt.

Standard: Bei den Testfahrten lieferte Mercedes Bestzeiten. Was hat das zu bedeuten?

Wolff: Nichts. Testfahren ist nicht Rennfahren. Es war kalt, viele haben nicht gezeigt, was sie können. Viele haben nicht die Teile gehabt, die sie in Australien haben werden. Vielleicht kann man interpretieren, dass das Fahrzeug keine lahme Ente ist.

Standard: Wer ist Ihr WM-Favorit?

Wolff: Mir ist völlig egal, wer vor uns und wer hinter uns ist. Ich bin mit unseren Ergebnissen beschäftigt. Bei Red Bull hat es ein paar Jahre gedauert, bis sie vorne waren. Ich hoffe, bei uns wird es nicht solange dauern. (Benno Zelsacher, DER STANDARD, 09./10.03.2013)