Warschau - Das polnische Parlament hat am Freitag einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk abgewiesen. Von den 414 anwesenden Abgeordneten stimmten 137 für den Antrag, 236 lehnten ihn ab. Die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hatte den parteilosen Soziologie-Professor Piotr Glinski als neuen Regierungschef vorgeschlagen, den sie seit fünf Monaten als ihren Kandidaten aufgebaut hatte.

Der unterlegene Glinski erklärte gegenüber Journalisten, er rechne damit, dass die Regierung trotz ihres Erfolges nicht bis zum Ende der Legislaturperiode 2015 durchhalten werde. "Sie beschäftigt sich vorwiegend mit sich selbst und der Propaganda in eigener Sache, statt die Probleme der Polen zu lösen", so der Wissenschaftler. Ministerpräsident Tusk von der rechtsliberalen "Bürgerplattform"(PO) erklärte, das Abstimmungsergebnis habe den Misstrauensantrag als "Maskerade" entlarvt. Die PiS habe keine Chance gehabt, ihren Kandidaten durchzusetzen. Ihre Unterstützung verweigerte auch die andere rechtskonservative Partei "Solidarisches Polen" (SP) - eine PiS-Abspaltung, die Glinski für einen zu liberalen Kandidaten hielt.

Rede auf ipad übertragen

Der PiS-Vorsitzende und Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski hatte sich am Donnerstag im Parlament ein Rededuell mit Tusk geliefert. Der Oppositionsführer kreidete der Regierung die steigende Arbeitslosigkeit und die niedrige Geburtenrate an. Gegenüber den anderen EU-Ländern verhalte sie sich "unterwürfig", so Kaczynski. Donald Tusk warf seinem Widersacher "Verlogenheit und Ungenauigkeit" vor. Viele der angeführten Probleme seien noch auf die PiS-Regierung zwischen 2005 und 2007 zurückzuführen, so Tusk, darunter der hohe Preis, den Polen für Gasimporte aus Russland bezahlen muss.

Für Aufregung sorgte, dass Kaczynski auf der Rednerbühne des Parlaments einen Tablet-Computer hochhielt und eine Ansprache des Kandidaten Glinski abspielte. Das Sejm-Präsidium hatte Glinski einen Auftritt verweigert, weil er kein Abgeordneter ist. "Hier ist etwas sehr Schlimmes passiert, eine Rechtsbeugung", erklärte die Parlamentspräsidentin Ewa Kopacz (PO). Sie sei nur deshalb nicht eingeschritten, um nach der Vorführung eine weiterhin sachliche Debatte zu ermöglichen. "Sonst hätte die Opposition nur noch darüber gesprochen, dass ich ihr das Wort verbiete", so Kopacz.

Eine jüngste Umfrage des Instituts SMG/KRC zeigt, dass derzeit 32 Prozent der Wähler für die PO stimmen würden. Die PiS bekäme demnach 31 Prozent der Stimmen. Auf das "Bündnis der demokratischen Linken" (SLD) würden 9 Prozent entfallen, auf die linksliberale "Bewegung Palikots" (RP) 7 Prozent. Der Koalitionspartner der PO, die Bauernpartei PSL, könnte mit 6 Prozent der Stimmen rechnen. Andere Parteien würden an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. (APA, 8.3.2013)