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Kinder über sechs Jahre bevorzugen das bunte Outfit eines Arztes.

Foto: APA/LKH Leoben

Das Putzpersonal ist braun, Abteilungshelfer sind grün, Pflegeschüler blau gekleidet. Blaue Streifen zieren die Ärmel der Pflegehelfer, diplomiertes Pflegepersonal ist zur Gänze blau gestreift, während Ärzte nach wie vor weiß tragen. Der Berufsstand entscheidet über die Farbe der Kleidung in Österreichs Spitälern. Nimmt man es hierzulande mit der Hierarchie zu genau?

"Auf diese Weise will man für Patienten erkennbar machen, wer was macht", so Reinhold Kerbl, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde im Landeskrankenhaus Leoben. Die Farben sind dabei völlig willkürlich gewählt, mit Ausnahme vom ärztlichen Weiß.

Sauberes weiß

Vor 150 Jahren noch vermittelten Ärzte ihre Autorität durch das Tragen schwarzer Gehröcke. Von einer möglichen Infektion über die Kleidung wusste damals niemand. Entsprechend selten wurden die doppelreihigen knielangen Jacken gewaschen, und wenn doch, dann bei Temperaturen, die ein problemloses Überleben von Bakterien und Viren erlaubten.

Ende des 19. Jahrhunderts war man schlauer. Der Gehrock wurde aus hygienischen Gründen verbannt. Der Gott in weiß war geboren – Sinnbild für Reinheit, Sauberkeit, Vollkommenheit und Ordnung.

Mit der Sauberkeit des weißen Arztkittels ist es jedoch nicht allzu weit her, denn oft wird dieser über Tage hinweg getragen. Der britische Gesundheitsminister plädierte deshalb schon vor Jahren darauf das kontaminierte Kleidungsstück abzuschaffen.

Täglicher Wechsel

"Eine Verordnung, die zum täglichen Wechseln der Kleidung im Spital verpflichtet, wäre wichtig", sagt Kerbl. Ob weiße Hose, Hemd und Mantel, oder Jean und T-Shirt ist demnach egal. Fakt ist: Eine Reduktion nosokomialer Infektion lässt sich nur mit einem tägliche Kleidungswechsel erzielen. Der schwarze Gehrock wäre dann im Grunde ebenfalls kein Problem, noch dazu wo moderne Reinigungsverfahren Keimen keine Überlebenschancen mehr geben.

Für das Ablegen des weißen Mantels spricht jedoch ein anderes Phänomen: Das Weißkittel-Syndrom. Der Blutdruck vieler Menschen schnellt beim Arztbesuch in die Höhe. Angst und /oder Anspannung erzeugen diese Wirkung.

Wie sich die Kleidung des Kinderarztes auf kranke Kinder und deren Eltern auswirkt, wurde im Rahmen einer Diplomarbeit an der Medizinischen Universität in Graz im letzten Jahr untersucht. Drei verschiedene Kleidungsstile wurden von der Studienautorin Julia Hofmann ausgewählt: Der formale Arzt mit weißem Mantel und Krawatte, der semiformale Arzt mit weißem Poloshirt und der casual Typ, der ganz leger ein buntes T-Shirt trägt.

"Das bunte Outfit erhielt von Kindern über sechs Jahren, wie auch den Eltern die größte Zustimmung. Erstaunlich für uns: der Arzt im weißen Mantel mit Krawatte wurde nicht als kompetenter empfunden", weiß Kerbl zu berichten, der als Betreuer der Diplomarbeit fungierte.

Dass die wahrgenommene Kompetenz eines Arztes nicht von seiner Kleidung abhängig ist, bestätigt sich auch in australischen Spitälern. Dort trägt das gesamte medizinische Personal keine Uniformen. Ernst genommen werden sie trotzdem, sowohl von Kindern, als auch erwachsenen Patienten.

Keine Rangerkennungsmerkmale

In manchen Spitalsabteilungen Österreichs wird zwar Uniform getragen, jedoch ohne Rangerkennungsmerkmale. Beim Eintritt in den OP-Bereich müssen alle – vom diplomierten Pfleger bis zum Oberarzt – die gesamte Garderobe wechseln. Hose, Oberteil, Haarnetz, Schuhe – im OP tragen alle grün. Die Farbe grün ist dabei ganz bewusst gewählt, weil Chirurgen damit der sogenannte Nachbild-Effekt erspart werden soll. Stundenlanges Starren auf eine blutende Operationswunde kann dieses Phänomen erzeugen, bei dem der Operateur beim Blickwechsel auf weiße Kleidung plötzlich irreale grüne Flecken sieht. Nicht so bei grünem Gewand. Als Komplementärfarbe von rot neutralisiert grün diesen Effekt. Nebenbei ist der Blendeffekt bei grüner Kleidung geringer, was der konzentrierten Arbeit eines Chirurgen auf alle Fälle entgegenkommt.

Letztlich hat die Farbwahl im OP auch psychologische Gründe. Grün ist die Farbe der Hoffnung, wirkt harmonisierend und beruhigend und kommt der enormen Anforderung an das Personal und der hohen emotionalen Belastung der Patienten am ehesten entgegen. (Regina Walter, derStandard.at, 20.3.2013)