Die "Fiasco"-Flasche, bauchig und unten herum mit Bast umwickelt, war mindestens so italienisch wie Motorroller und Marcello Mastroianni. Der Wein darin hieß Chianti, wie die Gegend, aus der er kam, und war ein Baustein des Siegeszugs der Pizzerien auf dieser Erde in den 1960ern. Seit der Renaissance wurde toskanischer Wein in Steinkrügen, später in mit Stroh umwickelten Glasflaschen abgefüllt, damit er leichter transportiert werden konnte. Das blieb auch so, als es technisch nicht mehr notwendig war - und zwar bis in die 1970er. Mit einem wesentlichen Nebeneffekt, der aber erst in der Nachkriegszeit schlagend wurde: Nachdem gut eineinhalb Liter Rotwein oder mehr geleert waren, konnte die Fiasco gemeinsam mit Pappmachéfischen und Plastikscampi im Netz an der Ristorante-Decke vertäut werden, um entsprechendes Flair zu verbreiten. In den frühen 1980ern wurde sie noch in Partykellern als Halterung für Tropfkerzen gesichtet. Dann verschwand sie aus der Wahrnehmung und hatte darüber hinaus mit übler Nachrede zu kämpfen.
Von "Bähhh" bis "Wow"
Nicht nur des Namens wegen wurde die Fiasco zum Negativsymbol für den Chianti an sich. Dessen Verbreitung innerhalb der Toskana ist unübersichtlich, weil mehr auf politisch-strategischen Ansprüchen beruhend denn auf geologisch-klimatischen Einheiten. Dazu kamen Aufstieg und Fall der zuweilen überteuerten Supertoskaner am internationalen Weinmarkt, die immer wieder aufflammenden Diskussionen über die Zusammensetzung der Chianti-Cuvées und mit all dem verbunden die wechselhaften Qualitäten des Weines selbst, die von "Bähhh" bis "Wow" reichen.
Ruffino, einer der Großerzeuger der Gegend, hat sich kürzlich dieser Fiasco-Flasche erinnert und sie modernisiert: Bei einem Inhalt von einem Liter wurde einer schlankeren, bauchigen Flasche zur Hälfte ein Überzug aus Papierkordeln verpasst, was hübsch aussieht und durchaus die Italianità vergangener Jahre hervorzurufen vermag. Der Inhalt ist Chianti DOCG Superiore Jahrgang 2011, der sehr in Ordnung und typisch ist. Angesichts eines Preises von EURO 17,99 ist aber deutlich Luft nach oben. Das Consorzio Vino Chianti erklärt höhere Preise mit dem Aufwand für die Verpackung. Doch nur für gelungene Äußerlichkeiten ist eine Wiederbelebung von Traditionen inklusive aller verkaufstechnischen Folgen nicht notwendig. (Luzia Schrampf, Rondo, DER STANDARD, 8.3.2013)