Also gut, Sie sind ein Wiener mittleren Alters, dessen Frau sich in der U-Bahn-Station von einer dunkelhäutigen Frau gestört fühlt, weil sie so laut in einer fremden Sprache telefoniert. Ihre Frau regt sich immer mehr auf, es fallen sogar rassistische Beschimpfungen, die dunkelhäutige Dame aus Kenia wird auch laut und rückt näher - da geben Sie ihr einen so festen Stoß, dass sie auf den Gleiskörper fällt und sich ein paar Knochen bricht. Und gerade noch von anderen Anwesenden vor dem herankommenden U-Bahn-Zug gerettet wird.

Dafür kriegen Sie in Österreich ein Jahr bedingt. Ursprünglich war bei dem 51-jährigen Elektriker, der eine 36-jährige Kenianerin über die Kante der Stationsplattform gestoßen hatte, von einer Anklage wegen Mordversuchs die Rede. Dann wurde die Anklage realistischerweise auf absichtliche schwere Körperverletzung abgeändert. Doch die Richterin vermochte auch keine Absicht zu erkennen: "Das Ziel, eine schwere Körperverletzung herbeizuführen, war nicht nachweisbar." Der Mann habe sich außerdem "in einer Stress-Situation befunden" (die allerdings von ihm selbst herbeigeführt wurde). Vielleicht war es trotzdem rechtlich in Ordnung, dem reumütigen, unbescholtenen Bürger nicht einmal ein "teilbedingt" zu geben. Aber hoffentlich nehmen das nicht andere brave Bürger, die ein Problem mit auffälligen Andersfarbigen haben, als Freibrief. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 8.3.2013)