Bild nicht mehr verfügbar.

"Man muss nicht permanent gerade sitzen. Besser ist es, sich immer wieder zu bewegen und durchaus auch einmal zu lümmeln", so Primaria Ingrid Heiller vom Orthopädischen Spital Speising

Foto: dpa/APA

"Sitz gerade!" Ganze Generationen von Kindern bekamen diese Aufforderung zu hören, in der Schule und daheim am Esstisch. In letzter Zeit behaupten mehr und mehr Experten, dass es viel besser sei, dynamisch zu sitzen, anstatt starr und gerade im Sessel zu kleben. Was stimmt wirklich?

"Man muss nicht permanent gerade sitzen. Besser ist es, sich immer wieder zu bewegen, die Sitzposition regelmäßig zu verändern und durchaus auch einmal zu lümmeln", sagt Ingrid Heiller, Leiterin des Instituts für Physikalische Medizin und Orthopädische Rehabilitation im Orthophädischen Spital Speising.

Vorbeugen, zurücklehnen, die Stellung der Rückenlehne immer wieder verändern, sich ab und zu auf ein Sitzkissen setzen - Möglichkeiten zur Abwechslung gibt es genug. Grundsätzlich lautet Heillers Empfehlung nicht länger als anderthalb Stunden am Stück zu sitzen, sondern immer wieder Pausen einzulegen, in denen Aufstehen und Bewegung angesagt ist. Aktivitäten, die nicht per se im Sitzen verrichtet werden müssen, wie Telefonieren beispielsweise, stehend erledigen und der Wirbelsäule auf diese Weise etwas Gutes tun.

Doch warum ist die Orthopädie vom Grundsatz des Gerade-Sitzens abgerückt? "Es ist einfach nicht wirklich praktikabel. Kein Mensch, der acht Stunden im Büro sitzt, kann immer in der gleichen Position verharren", sagt Heiller.

Auch wisse man mittlerweile, dass Bandscheibenvorfälle vor allem durch langes Sitzen auftreten. "Wichtig ist, dass die Bandscheiben ausreichend mit Blut und Nährstoffen aus dem umliegenden Gewebe versorgt werden - das ist nur der Fall, wenn die Wirbelsäule so viel wie möglich bewegt wird", so Heiller. Ständiges starres Sitzen sei eine große Belastung für die Bandscheiben und demnach sogar kontraproduktiv. 

Haltungsschäden lassen sich vermeiden

Wichtig wäre es, die Kinder schon früh für dieses Thema zu sensibiliseren. Während im Kindergarten meistens noch genug Bewegung auf dem Programm steht, beginnen die Probleme mit der Volksschule. Heiller: "Die Kinder müssen vier bis fünf Stunden am Stück sitzen, danach im Auto, und schließlich sind sie daheim vor dem Computer oder der Spielkonsole. So gewöhnen sie sich eine Haltungsschwäche an, die wenn sie länger andauert, zu Schäden führen kann."

Haltunggschäden seien zu 90 Prozent nicht angeboren, sondern durch die falsche Haltung im Kindesalter erworben. Mitterweile leiden etwa die Hälfte der Schulkinder zwischen 7 und 11 an einer Haltungsinsuffizienz, Tendenz steigend. In die Orthopädie Speising kämen mittlerweile schon 15-Jährige mit Bandscheibenvorfällen, sagt Heiller. "Deshalb muss man schon im Kindergarten beginnen, die Kinder für Bewegung zu begeistern."

Weil das Problem immer größer und die Patienten immer jünger werden, starteten Heiller und ihre Kollegen einen Online-Leitfaden mit Tipps für die richtige Haltung. "Rückengesundheit hat man zu großen Teilen selbst in der Hand. Je aktiver ein Mensch, umso weniger leicht kann es zu Haltungsschäden kommen." (Florian Bayer, derStandard.at, 7.3.2013)